150 Jahre MAK: Als ich 15 Jahre alt war…

17. März 2014

Insights

Anlässlich des 150. Geburtstags des MAK haben wir die KuratorInnen, KustodInnen des Hauses nach Ihren ganz persönlichen Erinnerungen gefragt. Wir beginnen die Serie mit Christian Witt-Dörring.  In jüngster Vergangenheit leitete er als Kurator die Neuaufstellung der Schausammlung Wien 1900:

© MAK

 

Als ich 15 Jahre alt war, begann sich meine kleine fremdbestimmte Welt zu öffnen. In der abgeschirmten Atmosphäre des großelterlichen Haushalts aufgewachsen, erlebte ich, wie in jeder Hinsicht ein Bewusstsein für Fragen der adäquaten Formen herrschte. Gesellschaftliche sowie ästhetische Normen wurden mir als selbstverständliche, sich bedingende Einheit vermittelt. Von ihrer Erfüllung schien der weitere Lebensweg abhängig zu sein. Überraschenderweise funktionierte jedoch die Welt außerhalb des geschützten Familienbereichs nach anderen Rezepten. Es begannen sich Fragen zu stellen, die nach einer Antwort suchten. Auf der Suche nach diesen zog mich unter anderem ein Ort immer wieder an. Er war fremd, aber doch familiär – die menschenleeren Säle des Museums für angewandte Kunst. Es gab zwar keine Antworten, aber Stimulation für weitere Fragen, die mich schließlich Kunstgeschichte studieren ließen. Die Fragen blieben, konnten aber präzisiert werden und führten zu meinem Dissertationsthema über ein Sujet der Möbelgeschichte, das nur im Rahmen von Kulturgeschichte und Stilgeschichte zu verstehen und zu lösen war. Der Abschluss meines Studiums und die damals als beruflich wenig zukunftsträchtig angesehene Spezialisierung auf ein Thema des Kunstgewerbes eröffneten mir schließlich 1977 eine Anstellung im Museum für angewandte Kunst. So hatte mich die Suche nach Antworten auf Fragen der Funktion des menschlichen Alltags an eine Institution geführt, die in deren Lösung jedoch keine Priorität sah. Ein Schrank war nicht ein Kleiderschrank, sondern ein Renaissance-, Barock-, Biedermeier- oder Jugendstilschrank. Ob Kulturgeschichte oder Stilgeschichte, Geschichte blieb der gemeinsame Faktor, aus dem ich versuchte zu erfahren, warum ich bin, wie ich bin. Vom Heute ausgehend galt es, eine obsolet gewordene zivilisatorische Schichte nach der anderen zu lüften und damit den ursprünglichen Sinn heutiger Verhaltensmuster, die a priori keine Relevanz mehr hatten, zu begreifen. Fasziniert von den Auswirkungen des steten Wertewandels, dem der Mensch ausgesetzt ist, erfuhr ich, wie sich einengende Verhaltensmuster relativierten, Grundsätzliches sich absetzte und Fragen endlich beantwortet wurden.