Digitale Realitäten und Utopien: Exemplarische Annäherungen an die VIENNA BIENNALE 2017

2. August 2017

Insights

Ausstellungsansicht StadtFabrik, 2017: Andrés Jacque / Office for Political Innovation, WikiVillage

Wir hätten gerne ein eigenes Haus. Morgen holen wir uns aus dem Internet einen Bauplan und stecken unser Wunschhaus aus Schichtholzplatten zusammen. Nächsten Monat ziehen wir ein. Utopie? Nein, greifbare Realität. WikiVillage (2017), eine Interpretation des WikiHouse von Andrés Jacque / Office for Political Innovation, steht in der StadtFabrik, einem Kooperationsprojekt der Wirtschaftsagentur Wien mit ihrem Kreativzentrum departure und des MAK im Rahmen der VIENNA BIENNALE 2017: Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft, exemplarisch für neue kreative Arbeit, neue Produktionsformen und selbstorganisierende Strukturen. Mit der von ArchitektInnen in globaler Zusammenarbeit entwickelten Open-Source-Plattform WikiHouse können Häuser eigenständig designt und gebaut werden. Diese Idee der Nutzung von Technologie für Commons und das Gemeinwohl ist eines der wiederkehrenden Themen der VIENNA BIENNALE 2017.
Seit 21. Juni geht es in Ausstellungen und Projekten im MAK, im Angewandte Innovation Lab der Universität für angewandte Kunst Wien, in der Kunsthalle Wien Karlsplatz und in einem öffentlichen Arbeitsraum des Az W – Architekturzentrum Wien am Nordbahnhof um die Veränderung unserer Lebens- und Arbeitswelten durch die digitale Revolution, um die Beziehung zwischen Mensch und Technologie und um den Beitrag, den wir selbst zur Gestaltung einer digitalen Zukunft leisten können. Die Positionen der mehr als 300 KünstlerInnen, DesignerInnen, ArchitektInnen und anderen TeilnehmerInnen sind multidisziplinär und heterogen. Die Möglichkeiten, Ängste und Hoffnungen, die die digitale Revolution mit sich bringt, übersetzen sie in visionäre, aber auch konkrete und praktische Szenarien.

Ausstellungsansicht, ARTIFICIAL TEARS, 2017: Cécile B. Evans, Working on What the Heart Wants

Realen und zukünftigen Produktions- und Arbeitskulturen, wie sie von der StadtFabrik aufgerollt werden, stehen in der MAK-Ausstellung ARTIFICIAL TEARS. Singularität & Menschsein – Eine Spekulation künstlerische Arbeiten gegenüber, die Impulse zur Auseinandersetzung mit einer Welt liefern, in der die Menschheit durch sich selbst optimierende künstliche Intelligenz Unsterblichkeit erlangt und grundlegende menschliche Eigenschaften verschwinden könnten. Einen Blick in eine von Technologien beherrschte Zukunft, in der nicht klar ist, was „menschlich“ ist und was nicht, wirft etwa Cécile B. Evans in Working on What the Heart Wants (seit 2015). Mit der Livestream-Installation macht die Künstlerin den Entstehungsprozess ihrer Videoarbeit What the Heart Wants (2016) zum Thema. Darin geht sie der Frage nach, was den Menschen im digitalen Zeitalter ausmacht. Auf drei Screens können die BesucherInnen beobachten, wie Cécile B. Evans eine zukünftige künstliche Welt und ihre ProtagonistInnen konstruiert.

Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine: Anouk Wipprecht, Spider Dress

Immer wieder lenkt die VIENNA BIENNALE 2017 den Blick auf die Bedeutung eines digitalen Humanismus als entscheidender Rahmen für die Gestaltung unserer hochtechnologisierten Zukunft. Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine, eine Ausstellung des MAK, des Vitra Design Museum und des Design museum Gent, führt vor Augen, wie weitreichend unser Alltag und unser Arbeitsleben schon von Robotik geprägt sind. Zu den zahlreichen hier gezeigten, bereits realisierten intelligenten Designs zählen unter anderem robotische Prothesen und „smarte“ Kleidung, die an androide Wesen denken lassen. Die sich auflösende Grenze zwischen Roboter und Mensch reflektiert in Hello, Robot. unter anderem das Spider Dress 2.0 (2015) der niederländischen Designerin Anouk Wipprecht. Die an Spinnenbeine erinnernden 3-D-Druck-Strukturen am Kragen des Sci-Fi-Kleides reagieren mit integrierten Sensoren auf sich nähernde Personen und markieren den persönlichen Bereich der Trägerin. „Tritt der Roboter an die Spitze der Evolution?“, fragt das Ausstellungskapitel, in dem das Spider Dress 2.0 zum exemplarischen Mittel technologischer Selbsterweiterung wird.

Bis zu welchem Punkt Technologien uns dienen und ab wann sie die Kontrolle über den Menschen übernehmen, sind zentrale ethische Fragen der VIENNA BIENNALE 2017 – auch an ihre BesucherInnen.

 

Ein Beitrag der Abteilung MAK-Presse und PR