Die schier grenzenlosen Möglichkeiten des Digitalen: der neue Leiter des Digitalen MAK Christian Michlits im Interview

25. August 2021

Insights

Seit Juni 2021 leitet Christian Michlits die neu geschaffene Stabstelle Digitales MAK. Im Interview für den MAK-Blog spricht er über die vielen Möglichkeiten, das Museum virtuell erlebbar zu machen und für ein noch breiteres Publikum digital zu öffnen.

Christian Michlits, der neue Leiter des Digitalen MAK
©MAK/Georg Mayer

Die neue Stabstelle „Digitales MAK“ soll die digitalen Aktivitäten des Museums zusammenzuführen und Synergien schaffen. Welche Ziele wurden für diese Stabstelle gesetzt und was sind Ihre neuen Aufgaben?

Das DIGITALE MAK übernimmt einen intern wie extern sehr vielfältigen Aufgabenbereich. Die aktuelle Pandemie hat deutlich gezeigt, wie wichtig die digitale Präsenz von Museen ist.

Intern sehen wir uns als wichtige Servicestelle: Wir fotografieren die Ausstellungen und Objekte für Veranstaltungen, für die Onlineangebote des MAK und für die dauerhafte Dokumentation. Außerdem wollen wir mit der Museumsdatenbank in allen möglichen Bereichen bei der Arbeit helfen.

Hier konnten wir auch schon erste Erfolge verbuchen: Die Comics-Sammlung war als eine der letzten Datenbanken noch nicht in die gemeinsame Museumsdatenbank integriert – das haben wir jetzt nachgeholt. Und derzeit findet gerade der große Umstieg von Adlib auf Axiell Collections statt. Wir erwarten uns dadurch viele Vorteile in der Anwendung.

Die Öffentlichkeit hat durch die MAK-Sammlung Online einen Zugang zu einem großen Teil der vom MAK digital verwalteten Objekte. Der konsequente Ausbau der Objektdaten einschließlich der multimedialen Darstellung wird daher hohe Priorität haben. Aber auch andere Bereiche der Museumsdatenbank wie die (historischen) Veranstaltungen könnten künftig interessant werden. Und natürlich wird es uns auch darum gehen, die Sammlung online entsprechend zu präsentieren – als würdiges digitales Äquivalent zur analogen MAK-Sammlung.

Einblick in die MAK-Museumsdatenbank, Axiell Collections: David Roentgen, Kunst- und Kabinettschrank, 1776, Inv.Nr. H 269, MAK-Sammlung Online

Sie haben Alte Geschichte und Klassische Archäologie studiert und bereits 2012-15 die derzeitige Online-Sammlung des MAK mitaufgebaut. Zuletzt haben Sie im Wiener Stadt- und Landesarchiv am Wien Geschichte Wiki mitgewirkt. Was hat Sie dazu motiviert in das MAK in diese Position zu wechseln?

Das Wien Geschichte Wiki ist ein unglaublich großartiges Produkt. Die Stadt Wien kann sehr stolz auf dieses Angebot sein, das längst mehr ist, als ein reines Online-Lexikon. Wir haben in den knapp sechs Jahren sehr viel weitergebracht, speziell in der vielfältigen Darstellung der semantischen Daten in Karten, Listen und Bildgalerien, aber auch durch die Einbettung historischer Videos der Media Wien, durch annotierte Bilder oder die Ermöglichung von Image-Slidern für Damals/Heute-Vergleiche. Auch die Kolleginnen und Kollegen sind mir ans Herz gewachsen und ich hatte eigentlich nicht vor, das Wiener Stadt- und Landesarchiv zu verlassen, aber als ich von der neuen Position im MAK erfahren habe, war ich sofort sehr aufgeregt.

Im Digitalen MAK laufen die unterschiedlichsten Aufgaben zusammen. Wie bereits erwähnt gibt es ein großes internes Betätigungsfeld, aber auch nach außen wollen wir das Profil des Museums mit digitalen Angeboten schärfen. Gemeinsam mit den inspirierenden Menschen aus Marketing und Vermittlung und auf Basis der großen Expertise aus den vielfältigen Sammlungsbereichen möchten wir das MAK hier in eine Vorreiterrolle bringen.

Was hat Sie in den ersten zwei Monaten Ihrer neuen Tätigkeit überrascht? Was hat sich in der Zwischenzeit verändert?

Mein Vorteil war, dass ich die Strukturen des Hauses und den Großteil der Kollegenschaft schon kannte. Vom Team, das wir in der neuen Abteilung bilden, bin ich enorm begeistert: Myrdith Eerland kannte ich bereits aus der Zusammenarbeit im Museumsdatenbankprojekt; mit Thomas Matyk bin ich drei Jahre im Großraumbüro in der Bibliothek gesessen. Das Arbeitsklima war damals einmalig. Mit Julia Santa-Reuckl verbinden mich überhaupt sehr viele Stationen: Bevor sich unsere beruflichen Wege bereits in der Akademie der bildenden Künste und beim Museumsdatenbankprojekt im MAK gekreuzt haben, kannten wir uns schon aus der gemeinsamen Studienzeit inklusive Ausgrabung in Ephesos. Das schweißt sehr zusammen.

Von Georg Mayer und Kristina Wissik (Fotografie) wusste ich auch bereits, was für großartige Fotografien zu erwarten sein werden. Wie groß die internationale Anerkennung für ihre Arbeiten ist, war dann doch noch überraschend. Zuletzt wurde von einem deutschen Museum angefragt, wie wir die Katagami-Fotos für die MAK-Sammlung Online so tadellos hinbekommen haben. Hier wird seit Jahren hervorragend gearbeitet und die neue, gemeinsame Abteilung ist auch eine Chance, unsere Qualitäten zu bündeln und sichtbar zu machen.

Die Katagami-Fotos der MAK-Sammlung Online finden internationale Beachtung: Hier zu sehen Inv. Nr. OR 3925-256 aus der MAK-Sammlung Online

In Ihrer neuen Funktion werden Sie auch mit vielen unterschiedlichen Bereichen im Museum – von Marketing, Vermittlung, IT, Ausstellungsteams bis zu den Sammlungsleiter*innen – zusammenarbeiten. Wo sehen Sie die Herausforderungen und Potenziale in der Zusammenarbeit?

Ich freue mich schon sehr auf die enge Zusammenarbeit mit so vielen Bereichen des Hauses. Mit vielen Kolleginnen und Kollegen ergeben sich ganz automatisch gemeinsame Prozesse in der täglichen Arbeit: Ohne die IT geht nichts; alles, was wir online vermitteln wollen, soll das MAK ja auch nach außen präsentieren und führt uns daher zu Marketing; und durch die Ausstellungen und die digitale Präsentation der Objekte sind unsere Handlungen zusätzlich mit der Sammlung eng verwoben. Die Zusammenarbeit mit den Sammlungsbereichen ist auch wichtig, damit wir laufend neue, bebilderte Datensätze online präsentieren können. Gemeinsam mit Janina Falkner haben wir für die Vermittlung bereits ein digitales Projekt beantragt. Wir haben unsere Finger irgendwie überall im Spiel. Das passt auch zum Wort – „digital“ heißt aus dem Lateinischen nichts anderes als „die Finger betreffend“.

Die Digitalisierung eröffnet viele Möglichkeiten für Museen – was ist hier mögliche Zukunftsmusik? Wie kann Digitalisierung dazu beitragen, das Museum einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen?

Auf digitalem Weg hat man Möglichkeiten, die einem analog versperrt sind. Die Zielgruppe online sind potenziell alle kunstaffinen Menschen mit Internetzugang weltweit. Unabhängig davon, ob es jemand aus gesundheitlichen Gründen nicht ins Museum schafft, wegen Reisebeschränkungen nicht nach Wien kommen kann oder andere Hürden einem analogen Besuch im Weg stehen – moderne, barrierefreie digitale Inhalte können und sollten jedem Menschen überall auf der Welt angeboten werden.

Dabei sind nicht nur den Besucherinnen und Besuchern, sondern auch den digitalen Angeboten selbst bei ihrer Präsentation oder Vermittlung weitaus weniger Grenzen gesetzt als physischen Ausstellungen. Mittels Virtual Reality könnte man fiktionale Ausstellungsräume schaffen, die es in echt nicht gibt, Schauräume des Hauses, die gerade für andere Ausstellungen im Einsatz sind, nochmal verwenden, vergangene Ausstellungen wiedereröffnen und Vieles mehr.

Bei der digitalen Objektpräsentation kann Künstliche Intelligenz helfen, vertiefend auf die individuellen Interessen der Besucherinnen und Besucher einzugehen und sie vielleicht sogar zu Objekten führen, die sie sonst gar nicht entdeckt hätten. Man muss Informationen verlinken und kann auch externe Angebote vernetzen. 3D-Ansichten können die Funktionalität von Objekten näherbringen und mit Digistories können verschiedene Themen online gut vermittelt werden.

Gibt es Beispiele in der internationalen Museumswelt, die man als Pioniere der Digitalen Museen bezeichnen könnte? Wenn ja, mit welchen Projekten?

Es gibt viele Museen, die dahingehend gute Konzepte entwickelt haben, wie zum Beispiel das Rijksmuseum, das MET, Louvre, British Museum oder das Städel Museum. Hinsichtlich der Online-Vermittlung für Kinder finde ich das Acropolismuseum inspirierend, aber auch in Österreich gibt es gute Beispiele. Dass der Weg ganz sicher auch über digitale Touren, Virtual Reality und die 3D-Objektpräsentation führt, ist klar. Gerade in unserem Bereich kann man aber auch aus anderen Branchen lernen. Online-Kaufhäuser haben beispielsweise ein sehr ausgeklügeltes Konzept, wie man sich auch für dieses oder jenes Produkt interessieren könnte. Auch in Online-Sammlungen könnten Algorithmen den Weg von einem Museumsobjekt zum nächsten weisen. Aus der Auswertung der Besuchsstatistiken können wir auch für das Kuratieren von Online-Ausstellungen lernen.

Inwiefern können Digitalisierungsmaßnahmen auch zu innovativen Formen in der Zusammenarbeit zwischen Museen weltweit beitragen?

Digitalen Darstellungen von physischen Objekten oder digitalen Kunstwerken selbst sind per se keine Grenzen gesetzt. Sie müssen nicht grundsätzlich an Institutionen gebunden sein. Im digitalen Raum lassen sich theoretisch Sammlungen beliebig zusammenstellen, man kann historische Ausstellungen wiederbeleben oder nach jedem erdenklichen Gesichtspunkt zusammenführen. Im Gegensatz zum analogen Objekt sind digitale Objekte in ihrer Präsenz auch nicht auf einen Standort reduziert, sondern können auf verschiedenen Plattformen gleichzeitig auftreten.

Ein sehr schönes Beispiel ist das Museum With No Frontiers. Das MAK ist bei der gelungenen Online-Ausstellung Discover Islamic Art mit vielen Objekten dabei und wir sind gerade in Gesprächen für das nächste Projekt. Digital kann man Objekte eben leichter „verleihen“.

Auch hinsichtlich des 150-jährigen Jubiläums der Wiener Weltausstellung wäre eine digitale Zusammenarbeit vorstellbar.

Einblick in die MAK-Sammlung Online: Tsuchiya Yasuka, Tsuba Schwertstichblatt, Edo-Periode (1603-1868), Inv.Nr. OR 1316, MAK-Sammlung Online

Was ist eines Ihrer Herzstücke in der Sammlung? Welches Projekt liegt Ihnen am meisten am Herzen und warum? 

Studiengemäß muss ich jetzt die ältesten Objekte des Hauses aus den Sammlungsbereichen Keramik, Textilien und Teppiche, Metall oder Asien nennen – das geht gar nicht anders! Aber speziell auch in der Kunstblättersammlung habe ich einen besonderen Bezug zu den Objekten, deren Datensätze ich damals selbst aufgenommen habe. Und auch in der MAK-Sammlung Möbel und Holzarbeiten gibt es sensationelle Stücke. Ich denke da beispielsweise an den Hefele-Sekretär mit den zahlreichen Geheimfächern – das Video ist online zu sehen. Das MAK hat salopp formuliert schon eine sehr coole Sammlung. Ich hoffe, dass wir sie online angemessen würdig präsentieren. Ein entsprechender Umbau der MAK-Sammlung Online wäre daher mein Herzensprojekt. Man soll online genauso staunen!

Das Interview führte Ulrike Sedlmayr, MAK-Presse und Öffentlichkeitsarbeit

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