9. November 2023
Sandra Hell-Ghignone, MAK Presse und Öffentlichkeitsarbeit
9. November 2023
Sandra Hell-Ghignone, MAK Presse und Öffentlichkeitsarbeit
I Am Digital, der Titel des 2023 veröffentlichen Buchs der Designerin Flora Miranda, ist bezeichnend für ihr Modeschaffen. Mit futuristisch anmutender Haute Couture bespielt sie derzeit im Rahmen der Reihe (CON)TEMPORARY FASHION SHOWCASE das MAK Geymüllerschlössel. Im Gespräch zur aktuellen Schau erzählt Flora Miranda über ihre technologieaffinen Kreationen und visionären Ideen für KI-generierte Kleidung.
MAK
Du bist gebürtige Salzburgerin und lebst in Antwerpen. Was hat dich nach Antwerpen gezogen?
Flora Miranda
Als Jugendliche erhielt ich ein Buch über belgische Mode von meiner Tante, Charlotte Seyerl, die selbst Malerin ist. Dieses Buch zeigte mir erstmals die Kunst in der Mode. Darin entdeckte ich Designer*innen, die ich bewunderte und die teilweise auch an der Universität für angewandte Kunst in Wien unterrichteten: Raf Simons, Veronique Branquinho, Bernhard Wilhelm, Jurgi Persoons…
Dies weckte in mir den Wunsch, an die „Wurzeln“ dieser Modekreativität zu gehen, nämlich an die Modeakademie in Antwerpen, wo diese Designer*innen selbst studiert hatten. Meine Motivation war von Anfang an klar – für die Kunst der Mode einzustehen. Während meines Studiums verfolgte ich diesen Glauben und arbeitete direkt nach meinem Abschluss als Freelancerin mit Iris van Herpen. Während dieser Zeit wurde in mir der Drang eigene Arbeit zu schaffen so stark, dass ich Flora Miranda Couture und auch die Idee von IT Pieces begründet habe. Im Jahr 2016 zeigte ich meine erste Kollektion auf der Vancouver Fashion Week.
MAK
Digitalität hat einen hohen Stellenwert in deiner Arbeit. Welche digitalen Verfahren kommen bei deinen Kreationen zum Einsatz und in welcher Form setzt du KI ein?
Flora Miranda
Besonders interessiere ich mich für generatives Design, bei dem ein Designsystem entwickelt wird, das auf Daten reagiert und sich in die textile Umsetzung integriert. Diesen Ansatz verfolge ich mit IT Pieces. Die Auswahl der Software hängt von den Anforderungen des jeweiligen Projekts ab, sowohl in ästhetischer als auch funktionaler Hinsicht. Wir nutzen Programme wie Processing, P5.js, Houdini, Blender und andere, je nachdem, welches am besten zum Vorhaben passt.
Die Entscheidung, ob ich KI einbeziehe oder nicht, hängt von den Details eines Projekts ab. Manchmal geht es eher um ein konzeptuelles Arbeiten rund um das Thema KI, während sie in anderen Fällen eine ganz konkrete Funktion erfüllen kann.
Ein Beispiel dafür ist eines unserer neuesten Projekte, genannt Anatomy of Autonomy in Zusammenarbeit mit der belgischen Bank KBC. Hier haben wir die KI der Bank auf zweierlei Weise dargestellt. Zunächst anhand von zwei digitalen Entitäten. Zwei Körper, die sich umeinander bewegen. Die Art und Distanz in der Bewegung reagiert auf das „Autonomy Percentage“ der KI. Wie gut konnte die KI in diesem Quartal Kundenfragen verstehen und auch lösen? Das digitale Design ist direkt in ein gesticktes Textilmuster und Kleidungsstück umsetzbar.
MAK
Bereits 2019 hast du das Potenzial von KI für den kreativen Prozess analysiert, wie in der Schau im Geymüllerschlössel im Video LaLaLand (2019) deutlich wird. Kannst du uns ein weiteres Beispiel aus der Schau nennen, bei dem KI zum Einsatz kam?
Flora Miranda
Sowohl bei LaLaLand als auch bei unserem allerersten IT Pieces Projekt aus 2017 haben wir uns mit KI aus einer funktionalen Sicht beschäftigt. Jeweils wurde eine Datenbank gebaut oder ein Machinelearningmodell trainiert um neue Designs zu generieren.
MAK
Du arbeitest häufig mit Silikon, weshalb setzt du diesen Stoff immer wieder ein?
Flora Miranda
Mit Silikon habe ich während meines Studiums zu arbeiten begonnen, ich war fasziniert von dem Material, weil es sich so vielfältig formen und einsetzen lässt. Silikon ermöglicht nicht nur skulpturales Arbeiten, sondern auch, schichtweise Farben und Texturen auf Textilien aufzutragen, ähnlich wie beim Malen mit Ölfarben. Gleichzeitig vermittelt das Material eine einzigartige Mischung aus digitalen Oberflächen und sinnlicher Körperlichkeit.
In der Ausstellung ist das Segmentation Dress ein Beispiel für die Verwendung von Silikon. Hier ist ein Stoff mit Silikon beschichtet. Beim Vaporised Dress funktioniert das Silikon nicht nur als grafisches Element in der filigranen silbrigen Struktur, sondern verbindet die vielen Fäden miteinander.
Im Polarisation Dress merkt man das Silikon kaum, es gibt einen dezenten Farbschimmer der durch die Silberstreifen reflektiert wird.
MAK
Wo sind deine Kreationen erhältlich? Arbeitest du auf Auftrag? Wer sind in dem Fall deine Projektpartner?
Flora Miranda
Einerseits arbeite ich auf Auftrag, dabei passe ich eines der bestehenden Couture Kleider im Design und der Passform an den jeweiligen Wunsch an. Auf direkte Anfrage können auch bestehende Einzelstücke erworben werden. Solche Arbeiten finden sich in manchen privaten oder Museumssammlungen, oder werden für spezielle Anlässe oder Theater- und Opernproduktionen bei mir geliehen. Weiters können Aufträge eben Projekte sein wie generative Designsysteme für eine Bank oder eine Oper.
MAK
Woran arbeitest du gerade?
Flora Miranda
Gerade jetzt, im September, habe ich einige Projekte abgeschlossen. Einerseits 6 IT Pieces Projekte, die gerade in Antwerpen ausgestellt sind, mit den Firmen KBC, Cegeka, Myrrha, Advantage Austria, Cresco und S(n)-Trackers. Weiters fand die Premiere eines neuen Ballettstücks genannt New Ballet Mécanique statt für das ich die Kostüme entworfen habe. Für die Industrie der Steiermark haben wir eine digitale Modekollektion entwickelt, inspiriert von verschiedenen Industrien, z.B. Maschinenbau, Software, Pharma….
All das folgt dem Gedanken „Make Nerd cool“. Jetzt freue ich mich auf eine Phase der Besinnung mit neuen Ideen.
MAK
Wie ist deine Vision von der Zukunft der Mode?
Flora Miranda
Ich möchte Software bauen die sozusagen Haute Couture automatisiert. Dabei will ich nicht an der Kreativität sparen, sondern die Lust auf Software feiern. Maßgeschneiderte Kleidung, die sich selbst generiert, darauf arbeite ich hin. Herauszufinden, wie das für den Menschen nützlich ist, Spaß macht, Schönheit bringt, wirtschaftlich ist und idealerweise eine Lösung für Textilabfall birgt, das treibt mich an. Aber − alles ist möglich.
Die Ausstellung (CON)TEMPORARY FASHION SHOWCASE: Flora Miranda ist noch bis 3.12.2023 im MAK Geymüllerschlössel zu sehen.