Der Waerndorfer-Fries in der MAK-Schausammlung Wien 1900

9. Oktober 2017

Objekte im Fokus

Der Fries aus dem Musiksalon des Bankiers und Gründungsmitglieds der Wiener Werkstätte Fritz Waerndorfer zählt zu den Highlights der MAK-Schausammlung Wien 1900. Im Jahr 1902 bestellte Waerndorfer bei dem Glasgower Künstler Charles Rennie Mackintosh die Einrichtung für den Musiksalon seiner Villa in Wien. Mackintoshs Frau, Margaret MacDonald Mackintosh, entwarf für diesen Salon den Fries, der sich heute im Besitz des MAK befindet.

Margaret MacDonald Mackintosh, Die sieben Prinzessinnen (Waerndorfer-Fries), 1906<br /> © MAK/Georg Mayer

Margaret MacDonald Mackintosh, Die sieben Prinzessinnen (Waerndorfer-Fries), 1906
© MAK/Georg Mayer

Erneut in den Fokus gerückt ist der Fries von Margaret MacDonald Mackintosh in einer Online-Publikation des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe. Hier reist ein fiktiver Journalist aus Hamburg in den Jahren 1900 bis 1915 in verschiedene Städte Europas, um sich dort mit berühmten Persönlichkeiten des Jugendstils zu treffen. Während des Besuchs des Journalisten bei Charles Rennie Mackintosh und Margaret MacDonald Mackintosh in Glasgow arbeitet Margaret gerade am Waerndorfer Fries. In Tagebuchform erzählt der Journalist außerdem von seinen Begegnungen mit Josef Hoffmann, Gustav Klimt, Koloman Moser und Fritz Waerndorfer in Wien. Historische Fotos, zum Teil aus dem MAK-Archiv, illustrieren die Erzählungen.

 

Margaret MacDonald Mackintosh, ihr Mann Charles Rennie Mackintosh sowie ihre Schwester Frances MacDonald McNair und deren Mann James McNair bildeten gemeinsam die Künstlergruppe „The Four“ und waren die maßgeblichen ProtagonistInnen des schottischen Modern Style. Mit einer Ausstellung in der Wiener Secession im November 1900 und dem Auftrag für den Musiksalon Fritz Waerndofers in seiner Villa im 18. Wiener Gemeindebezirk erlangte das Künstlerpaar Mackintosh einen entscheidenden Durchbruch in Österreich.

Im Frühjahr 1900, im Jahr der Ausstellung in der Wiener Secession, fuhr Fritz Waerndorfer nach Glasgow, um sich die Arbeiten Charles Rennie Mackintoshs anzusehen. Zu dieser Zeit begannen vermutlich die Gespräche zwischen den beiden über die Einrichtung eines Musiksalons, allerdings sind darüber nur wenige schriftliche Dokumente und Entwürfe erhalten. Der 1901 entstandene Entwurf für das House for an Art Lover von Margaret MacDonald Mackintosh und Charles Mackintosh im Rahmen eines Wettbewerbs der deutschen Zeitschrift Innendekoration dient als Anhaltspunkt für die geplante Gestaltung des Waerndorfer-Salons. Die Einrichtung des Salons war um 1902 abgeschlossen, allerdings fand der Fries erst 1907 Einzug in die Waerndorfer-Villa.

Waerndorfer-Fries, Detail: Mitteltafel © MAK/Georg Mayer

Waerndorfer-Fries, Detail: Mitteltafel © MAK/Georg Mayer

Der dreiflügelig angeordnete Waerndorfer-Fries auf Gesso-Paneelen (Hartgips) behandelt das Theaterstück Die sieben Prinzessinnen des belgischen Schriftstellers Maurice Maeterlinck aus dem Jahr 1893. Sieben Prinzessinnen erwarten die Ankunft des Prinzen, doch als dieser eintrifft, ist die siebte Prinzessin tot. Daraufhin weinen alle, stumm und totenbleich über die Tote gebeugt.

Auf den beiden äußeren Flügeln des Frieses sind die wartenden Prinzessinnen zu sehen, die bei Maeterlinck als „weiße Schatten“ beschrieben werden und sich nur durch ihre Halsketten unterscheiden. Auch in der Darstellung Margaret MacDonald Mackintoshs, die viele der bei Maeterlinck erwähnten Motive aufgreift, heben sich die Figuren nur durch ihre Umrisse vom Hintergrund ab. Die mittlere Tafel zeigt die tote Prinzessin und die trauernden Frauen im Profil, während im Zentrum das Gesicht des Prinzen zu sehen ist. Eines der Hauptmotive des Frieses bilden die Augen, aus denen stilisierte Tränen fließen. Die unbewegten, langgezogenen Figuren und die kühlen Farbtöne spiegeln die Melancholie des Textes von Maeterlinck deutlich wider. Die wechselnde Struktur des Gesso sowie eingelegte Steine und Muscheln verleihen dem fast sechs Meter langen Werk zudem eine reliefartige Wirkung.

 

Die Kunsthandwerkerin und Designerin Margaret MacDonald Mackintosh experimentierte im Laufe ihres künstlerischen Schaffens mit unterschiedlichen Materialien und fertigte Metallarbeiten, Stickereien sowie Entwürfe für Textilien und Friese. Heute kennt man sie als eine der bedeutendsten weiblichen Kunstschaffenden des Jugendstils. In enger Zusammenarbeit mit ihrem Mann Charles Rennie Mackintosh schuf sie mehrere bedeutsame Entwürfe für Innenräume, etwa für die die Willow Tearooms und das House for an Art Lover in Glasgow.

Seit 1993 ausgestellt, ist der Waerndorfer-Fries Teil der permanenten Schausammlung des MAK.

Das MAK widmete dem Waerndorfer-Fries eine Publikation:
Peter Noever (Hg.), Ein moderner Nachmittag. Margaret MacDonald Mackintosh und der Salon Waerndorfer in Wien, Böhlau Verlag, Wien 2000.

Detailreiche Informationen zur Wiener Moderne finden sich auch auf der multimedialen Tablet-App zur MAK-Schausammlung Wien 1900 (Infos unter http://www.mak.at/mak-app).

 

Ein Beitrag von Agnes Wyskitensky, MAK-Presse und PR.