6. August 2020
WIR HATTEN ES SATT. Modeexpertin Brigitte R. Winkler zum Wandel der Moden
+++ Als wissenschaftliche Beraterin begleitete Brigitte R. Winkler die Konzeption der MAK-Ausstellung SHOW OFF. Austrian Fashion Design. Anhand einzelner exemplarischer Stücke aus der Schau thematisiert sie im Blogbeitrag das veränderte Frauenbild und dessen Einfluss auf die Entwicklung der Mode +++
Er hat eine unglaublich wichtige Zeit des Wandels der Mode miterlebt und auch zu Papier gebracht. Vom französischen Schriftsteller Marcel Proust (1871–1922) stammt der aussagereiche Satz: „Die Moden wechseln, da sie selber aus dem Bedürfnis nach Wechsel entstehen.“, und die – noch wichtigere – Bemerkung/Feststellung: „Doch entscheiden nicht wir selbst, wann wir das Bedürfnis nach Wechsel haben?“.
Ja, Marcel Proust, genauso ist es. Es sind nicht die ModeschöpferInnen, die etwas erfinden, einen Trend vorgeben, den wir Frauen – in der Zwischenzeit gehören auch die Männer dazu – dann tragen müssen. Es sind wir Menschen, die gewisse Erscheinungsformen der Kleidung satthaben und etwas anderes, etwas Neues, einen Wechsel anstreben. Den besten, den genialsten unter den ModeschöpferInnen bleibt es vorbehalten, diese Wünsche schon sehr frühzeitig zu erahnen, zu erfühlen und sie in der „gewünschten“ Kleidung und den entsprechenden Accessoires umzusetzen.
Weg von den breiten Schultern und bunten Kostümen
Es war Helmut Lang, der als einer der Ersten bereits Ende der 1980er Jahre erkannt hat, dass wir Frauen es satthaben, uns mit breiten Schultern und auffallend bunten Kleidern und Kostümen wichtig und interessant zu machen. Er war auch der Erste, der Frauen- und Männermode zugleich auf dem Laufsteg vorstellte. Lang entwarf schlichte, zunehmend minimalistische, hauptsächlich schwarze Modelle mit „normaler“ Schulterbreite und entsprach damit genau dem gewandelten Frauen- und Männerbild.
Nicht nur in den Entwürfen der Modeikone Helmut Lang ist dieser Wandel in der MAK-Ausstellung SHOW OFF. Austrian Fashion Design wunderbar nachvollziehbar, sondern unter anderem auch in den Modellen von Schella Kann, DEMIAN, Ute Ploier und Wendy&Jim.
Nachhaltigkeit in der Mode
Exemplarisch ist auch das SHOW OFF-Ausstellungsstück von Carol Christian Poell, dem Mode-Innovator aus Linz, der nach wie vor in Mailand lebt und wirkt: Die Schweinchen-Tasche, genannt My best friend (2001). Was will uns der Modekünstler damit sagen? Ganz einfach: Denkt doch darüber nach, woher die Materialien Eurer Schuhe und Taschen, aber auch der Kleidungsstücke kommen! Carol Christian Poell war auch hiermit seiner Zeit voraus. Er gehört zu den Pionieren des ethischen Umgangs mit Tieren und der Nachhaltigkeit in der Mode. Diesen Zugang wünschen wir uns in der Zwischenzeit doch alle, oder?
Models in Sneakers
Wenn es um den Wandel des Frauenbildes geht, muss ein weiteres Modegenie erwähnt werden, das – da kein Österreicher – mit seiner Mode nicht in der MAK-Ausstellung vertreten ist. In seiner Funktion als ehemaliger Modeprofessor an der Angewandten ist er allerdings im Interview in einer Arbeit seiner StudentInnen in SHOW OFF zu sehen: Karl Lagerfeld. Mit seiner Haute Couture-Show für Chanel im Jänner 2014 hat er ein gewaltiges „political statement“ abgegeben: Lagerfeld schickte ausnahmslos alle Models in Sneakers auf den Laufsteg.
Ja, wir Frauen haben es satt, wie „schwankende Schiffe im Wind“ (Copyright: Karl Lagerfeld) auf hohen Stöckeln daherzukommen. Karl Lagerfeld hat den fantasievollsten Ersatz dafür vorgeführt und seither ist die Gestaltung von Sneakers und anderen flachen Schuhen explodiert. Spezifische Exemplare heimischer Labels, wie FATEEVA, Rani Bageria oder rosa mosa sind in der MAK-Ausstellung zu bewundern.
Unisex-Mode aus Österreich
Ein Thema, das momentan die Modewelt beherrscht, hat einer unserer ganz Großen schon in den 1970er Jahren thematisiert: Rudi Gernreich. Er kämpfte bereits damals – abgesehen von der Oben-ohne-Mode – für Unisex-Mode. Noch sind wir nicht so weit, dass Männer ohne Probleme seine großartigen Kleider, die in SHOW OFF. Austrian Fashion Design hängen, im Alltag tragen könnten, wenn es ihnen gefällt und Spaß macht. Auch Andreas Kronthaler für Vivienne Westwood, House of the very island’s oder Wendy&Jim stehen für diese Entwicklung hin zu Unisex-Kleidung. Doch auch unsere jungen ModeschöpferInnen gehen diesen Weg: von Christoph Rumpf, dem Preisträger des 34. internationalen Mode- und Fotografie-Festivals von Hyères in Frankreich (2019), über Maximilian Rittler bis zu Kenneth Ize.
Ein Gastbeitrag von Brigitte R. Winkler, Fashionexpertin und Modejournalistin; wissenschaftliche Beraterin der MAK-Ausstellung SHOW OFF. Austrian Fashion Design (14. Februar – 30. August 2020)