28. Januar 2015
App-Stories #5:
Wien 1900, Wien und der Comic: der Zeichner Andre Breinbauer im Interview
Aus der (Zeichen-)Feder von Andre Breinbauer, einem Wiener mit deutschen Wurzeln, stammt den zweiten Comic auf der MAK-App für Tablets. Seit langem Teil der österreichischen Comic-Szene, führt uns Andre Breinbauer in seinem Fünfseiter „Darf ich bitten?“ mit dramatisch-melancholischen Blick ins Wien der Jahrhundertwende. Ausgangspunkt für die Story bildet – so die Vorgabe – ein Objekt der MAK-Schausammlung Wien 1900. Design / Kunstgewerbe 1890–1938. Nach Josef Franks Toilettetisch (um 1925) handelt es sich dieses Mal um einen Halsschmuck (1910) von Carl Otto Czeschka: In den vergangenen Monaten von BenutzerInnen der MAK-App zahlreich fotografiert, fand er sich häufig auf der interaktiven „Pinnwand“ der App wieder. Das Wiener Werkstätte-Objekt ist Teil des Comics, der in Breinbauers reduziertem, jedoch zum Perfektionismus getriebenem Stil Blitzlichter auf die Gesellschafts- und Sozialgeschichte des „Wien um 1900“ wirft.
Kuratoren „Wien 1900 meets Comic“: Michele Bertilorenzi und Aldo Giannotti
Seit wann zeichnest du Comics?
Ich bin mit bunt bebilderten Heftchen aufgewachsen: Fix und Foxi, Mickey Mouse, Clever und Smart, Asterix und Obelix oder Yps waren regelmäßige Mitbringsel meiner Eltern aus dem Bahnhofskiosk. Sie haben mich mehr fasziniert als Kinderbücher: Als ich noch nicht lesen und schreiben konnte, war die sequentielle Erzählform für mich einfacher zu verstehen. Ich eiferte dem nach und begann auf kindliche Weise meine Geschichten in dieser Art aufs Papier, auf Wände oder in die Kochbücher meiner Mutter zu bringen. Seitdem ziehen sich Comics wie ein roter Faden durch mein Leben, ob als Zeichner oder als Sammler.
Arbeitest du hauptberuflich als Comic-Zeichner?
Leider nein! Mein Geld verdiene ich als Illustrator, Comic-Zeichenlehrer, Grafikdesigner und Filmvorführer.
Hast du eine spezielle Ausbildung absolviert?
Was Comics angeht, muss ich das verneinen. Ich habe Grafikdesign an der Kunstakademie in Nürnberg studiert.
Hat sich dein Zeichenstil im Laufe der Zeit verändert?
Auf alle Fälle. Früher war mein Zeichenstil eher realistisch, was mit meinen damaligen Vorbildern zu tun hatte (Bernie Wrightson, Brian Bolland, Frazetta). Ich habe aber schnell bemerkt, dass ich nicht die Disziplin und Geduld hatte, durchgehend längere Geschichten in dieser Art zu zeichnen. Aus meiner Faulheit heraus entwickelte ich einen immer stärker reduzierten Stil, der sich nicht mehr sklavisch an Proportionen und eine korrekte Anatomie hielt. Ironischerweise entstand daraus eine Art von Perfektionismus, sodass ich jetzt länger für eine Seite brauche als früher.
Was hat dich am Projekt „Wien 1900 meets Comic“ interessiert?
Eigentlich ist das ganz einfach zu erklären. Ich wollte meine Arbeiten schon immer in einem Museum ausstellen. Jetzt ist mir das gelungen… Nur digital, aber es ist ein Anfang. Außerdem fand ich das Konzept interessant, einen Comic zu einem Objekt aus dem Museum zu zeichnen. Wer fragt sich nicht, was die stummen Zeugen der Vergangenheit womöglich zu erzählen hätten…?
Wie bist du zur Story für den Comic gekommen, der nun in der MAK-App erschienen ist?
Zu viel darf ich nicht verraten, weil ich nicht spoilern möchte. Eines war mir aber klar: Der Comic sollte in der Zeit des Jugendstils spielen, und deshalb recherchierte ich in einigen Kunst- und Fotobänden. Koloman Moser, Karl Alexander Wilke, Oskar Kokoschka, Gustav Klimt u. s. w. – so lieblich, mythologisch, träumerisch und ornamental der Jugendstil auch war, er hatte etwas sehr, sehr Düsteres und Melancholisches. Deshalb blieb ich bei einem Gemälde von Klimt hängen, das ich mit der Halskette von Carl Otto Czeschka und dem Begriff „aufdonnern“ kombiniert habe. Das löste eine Assoziationskette bei mir aus – und fertig war die Geschichte.
Ist Comic in Österreich ein Thema, das an Popularität gewinnt?
Auf jeden Fall. Zwar noch ein wenig langsam, aber stetig. Die Vorurteile gegen die „neunte Kunstform“ verschwinden allmählich. Die Kritiker verstummen, weil preisgekrönte Publikationen vermehrt in Buchgeschäften zu finden sind. Vienna Comix, das Nextcomic-Festival in Linz, der Indie Comix Day und die Comics-Box sind gut besuchte Institutionen in Österreich, die jährlich mehr und mehr an Stellenwert gewinnen.
Wie schätzt du die Situation von Comic-ZeichnerInnen in Österreich ein?
Wenn der positive Trend weiter geht, wird auch die Situation für ZeichnerInnen besser werden. Comic-Publikationen aus Österreich haben leider noch einen kleinen Anteil, da Verlage nur ein geringes Interesse daran haben Comics in ihr Programm aufzunehmen. (Ich betone „Comics“, denn Karikaturen und Cartoons sind zwar verwandte Formen, aber nicht dasselbe wie Comics.)
Wer sind die vielversprechendsten jungen Talente in Österreich?
Hmmm… Das ist eine schwierige Frage für mich, weil die Bezeichnung „junges Talent“ dehnbar ist und sich nicht unmittelbar auf das Alter beziehen muss. Einige erkennen erst spät ihre Leidenschaft für das Medium, und andere hatten womöglich nie die Chance ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Die österreichische Comic-Landschaft ist leider nicht mit der italienischen oder französischen zu vergleichen, denn dort gibt es beispielsweise auch Ausbildungsstätten für Comic-ZeichnerInnen. Von dieser Art der Comic-Kultur sind wir noch weit entfernt, und deshalb ist es für mich schwierig den Begriff „junge Talente“ zu definieren. Ein gutes Beispiel für Comic-ZeichnerInnen, die sich selbst organisieren um ihre Publikationen unter die Leute zu bringen, sind die Mitglieder des Wiener Comic-Stammtisches. Seit ca. zwei Jahren bringt dieser Comic-Stammtisch unter den Label Tisch14 Anthologien heraus. Meistens liegt diesen ein gewisses Thema zugrunde, wie zum Beispiel Musik, Donau, Das Ende der Welt oder Alles für die Katz. Letztendlich entscheidet aber der persönliche Geschmack der Leserin oder des Lesers, wer als vielversprechendes Talent gilt. Ich kann Interessierten nur empfehlen, sich lustvoll durch Comics zu schmökern und das Genre durch den Kauf eines Heftes zu unterstützen.
Andre Breinbauer: http://automixis.tumblr.com
Das Interview führte Beate Lex, Leitung Neue Lernkonzepte