29. März 2017
BUCHEINBÄNDE DER WIENER WERKSTÄTTE AUS DER PERSPEKTIVE DES RESTAURATORS
„Konservieren statt Restaurieren“ lautet ein Leitspruch des bekannten Denkmalpflege-Theoretikers Georg Dehio (1850–1932), der für heute tätige RestauratorInnen noch immer Gültigkeit zu haben scheint. Die richtige Konservierung von Kunstwerken ist der entscheidende Punkt, um diese in gutem Zustand zu erhalten und etwaige Restaurierungen zu vermeiden. Im Rahmen der Ausstellung BUCHEINBÄNDE DER WIENER WERKSTÄTTE haben wir dem Restaurator Andreas Hartl bei seiner Arbeit über die Schulter geschaut und ihn gefragt, welche konservatorischen Gesichtspunkte für die Präsentation von Büchern berücksichtigt werden müssen.
„Es ist wichtig, die Buchrücken nicht zu sehr zu belasten und ein Raumklima von 50 Prozent Luftfeuchtigkeit zu gewährleisten sowie den Schutz vor UV-Strahlung sicherzustellen. Es sollte daher generell kein Tageslicht in die Ausstellungsräume gelangen und eine Beleuchtung von maximal 50 Lux herrschen. Das heikle Papier sollte aber auch unter optimalen Bedingungen nur begrenzt ausgestellt werden und auch das Leder der Einbände wird mit der Zeit brüchig“, erzählt uns Andreas Hartl.
Weiters zeigt er uns zwei Exponate genauer und erklärt, welche restauratorischen Maßnahmen noch vor der Ausstellung notwendig sind. Dabei fügt er an, dass die Wiener Werkstätte (WW) grundsätzlich sehr hochwertig gearbeitet hat, weshalb vergleichsweise selten umfangreichere Restaurierungen vorgenommen werden müssen. Beide Bücher haben einen Einband aus rotem Leder und wurden von den Gründern der WW, Josef Hoffmann und Koloman Moser, in der Frühzeit der WW entworfen. Bei dem von Hoffmann gestalteten Werk finden wir einen Riss in einer semitransparenten Trennseite, während beim Einband von Koloman Moser der Buchblock wieder mit dem Buchrücken verklebt werden muss.
- Rechts im Bild können wir einen Riss in einer semitransparenten Trennseite erkennen. Der Titel des von Ferdinand Laban geschriebenen Buches lautet Heinrich Friedrich Füger, Der Porträtminiaturist. Sein Bucheinband wurde um 1905 von Josef Hoffmann entworfen und von der Wiener Werkstätte ausgeführt. © MAK
- Die Risskanten werden von Andreas Hartl mit einer Pinzette und einem Spatel für die anschließende Hinterklebung eingerichtet. © MAK
- Nach dem Trocknen ist der hinterklebte Riss kaum noch zu sehen. © MAK
- Nur im Detail sind die Spuren von Andreas Hartls Arbeit noch zu erkennen. © MAK
- Da bei einzelnen Büchern gleichzeitig Einband und Vorsatz während der Ausstellung zu sehen sein sollen, werden diese stehend präsentiert. Um den Buchblock für die Präsentation zu stabilisieren, wird hier eine Manschette aus Polyesterfolie angelegt. © MAK
- Ein eigens gefertigter „Fuß“ wird angesteckt und bietet so zusätzliche Unterstützung des Buchblocks im vorderen Bereich. © MAK
- Andreas Hartl richtet den „Fuß“ und die Manschette ein und testet, ob die Stabilität ausreichend gewährleistet ist. © MAK
- Beim zweiten Buch, das Andreas Hartl uns zeigt, handelt es sich um ein 1906 von Koloman Moser gestaltetes Fotoalbum für Lili Waerndorfer. Der Leinenstreifen, der den Buchblock mit dem Buchdeckel verbindet, hat sich vom Deckel gelöst. Dadurch liegt ein mit der Rosenmarke der WW gemustertes Papier frei, das normalerweise verborgen ist. © MAK
- Für die Wiederverklebung der Verbindung trägt Hartl Weizenstärkekleister mit einem Pinsel auf den Leinenstreifen auf. © MAK
- Der Restaurator widmet der genauen Positionierung des Leinenstreifens seine volle Aufmerksamkeit. © MAK
- Der Leinenstreifen wird mit Spatel und Pinzette in Position gebracht. © MAK
- Für eine bessere Verklebung wird der Streifen mit einem Spatel angerieben. © MAK
- Die Verklebung muss unter leichtem Druck trocknen. Dafür schließt Andreas Hartl den Buchblock und beschwert ihn mit Gewichten. Um ein Verkleben der Seiten zu verhindern, legt er Polyestervlies ein. © MAK
- Nach dem Trocknen ist das Buch einsatzbereit. © MAK
- In der Ausstellung wird es so präsentiert, dass auch der Vorsatz aus rötlich marmoriertem Tunkpapier zur Geltung kommt. © MAK/Georg Mayer
- Das von Josef Hoffmann gestaltete Buch ist in der Mitte dieses Bildes zu sehen. Auch hier wird in der Ausstellung nicht nur die Hülle aus rotem und goldgeprägtem Leder gezeigt, der Vorsatz aus goldverziertem Leder und Seide kann ebenso bewundert werden. © MAK/Georg Mayer
Andreas Hartl (geb. 1979) ist als studierter Papier-Restaurator zum einen für das Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste, zum anderen als Buchbinder im MAK tätig.
Die Ausstellung BUCHEINBÄNDE DER WIENER WERKSTÄTTE zeigt einen Querschnitt durch das buchbinderische Schaffen der WW. Aus den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts werden neben 40 Entwurfszeichnungen aus der MAK-Sammlung auch ca. 70 Bücher aus dem Bestand des MAK sowie aus den Sammlungen Richard Grubman und Ernst Ploil, Gastkurator der Ausstellung, präsentiert.
Ein Beitrag von Lara Steinhäußer und Agnes Wyskitensky
für die Abteilung MAK-Presse und PR
Fotos: © MAK
Ausstellungsansichten: © MAK/Georg Mayer