30. September 2015
Ein Wohnzimmer lädt zum „Hinauswohnen“ aus den eigenen vier Wänden ein
Unsere Autorin Marlene Maier, Volontärin der VIENNA BIENNALE 2015: IDEAS FOR CHANGE, hat sich im Wiener Sonnwendviertel mit dem Wohnbauprojekt WOHN_ZIMMER Sonnwendviertel von Klaus Kada beschäftigt und Gespräche mit den BewohnerInnen geführt. Begleitet wurde sie von Barbara Taxacher, die mit ihrer Tochter im – nach der Theaterbühne im Erdgeschoss benannten – roten „Theaterhaus“ des WOHN_ZIMMER lebt. Wie alle Gemeinschaftsbereiche in der Wohnanlage kann auch die Theaterbühne von allen BewohnerInnen benutzt werden.
Als Volontärin der VIENNA BIENNALE 2015 habe ich mich intensiv mit der Vision des von Architekt Klaus Kada konzipierten Wohnbauprojekts beschäftigt. In der Tradition des Wiener Wohnbaus reiht sich das Projekt in eine Vielfalt der Modelle des sozialen, genossenschaftlichen und öffentlichen Wohnbaus ein, die oft über die reine Wohnversorgung hinausgehen und wichtige soziale Infrastrukturen versprechen. Was in anderen Städten nur im hochpreisigen Segment denkbar ist, soll hier durch die gezielte Mischung von geförderten und frei finanzierten Wohnungen für unterschiedliche Einkommensgruppen erschwinglich werden.
Während Barbara und ich vom Innenhof bis zum Kräutergarten auf dem Dach einmal quer durch die Anlage spazieren, wird mir klar, dass hier vieles zum Austausch einlädt. Da sind die zahlreichen Balkone, über die Kinder kommunizieren und sich verabreden, die auffallenden, gelben Brücken, die viel mehr verbinden als bloß die unterschiedlichen Bauteile. Kino, Kletterhalle, Proberaum, Gemeinschaftsküche oder das Wellnesscenter – was diese Orte versprechen, ist die Möglichkeit einer lebendigen Gemeinschaft. Und tatsächlich erzählen BewohnerInnen begeistert von regelmäßig stattfindenden Filmabenden, Kochkursen und wöchentlichen Jam-Sessions.
Bald nach ihrem Einzug hat Barbara viele alte Bekannte wiedergetroffen, die zufälligerweise auch im Sonnwendviertel gelandet sind. Eine von ihnen ist Pia Lichtblau, die sich im BewohnerInnenbeirat engagiert. Für sie ist der Alltag im WOHN_ZIMMER von vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, aber auch von Vermittlungsprozessen geprägt. Die „Spielregeln“ der Nutzung aller Gemeinschaftseinrichtungen werden von den BewohnerInnen selbst bestimmt. Diskutiert und verhandelt wird vorwiegend über soziale Medien. Momentan beschäftigt sich eine Gruppe mit der Gestaltung und Bepflanzung des Innenhofs. Dass ihr Zuhause längst zum städtebaulichen Vorzeigeprojekt avanciert ist und Führungen für Interessierte seither zum Alltag gehören, sehen die BewohnerInnen gelassen. Eigentlich macht sie das sogar ein wenig stolz.
Ein Beitrag von Marlene Maier in Zusammenarbeit mit Noëmi Leemann für die Abteilung Neue Lernkonzepte.
Fotos © Marlene Maier