30. September 2021
Heinz Traimer: der Sparefroh-Mann
Der Sparefroh hat sich als Symbolfigur in die (Kinder-) Köpfe tief eingeprägt. Jener Mann, der für seine Berühmtheit sorgte, Heinz Traimer (1921−2002), teilt allerdings das Schicksal vieler österreichischer Grafikdesigner*innen: Obwohl etliche seiner Arbeiten der 1950er und 60er Jahre, darunter der Sparefroh, als grafische Ikonen berühmt sind, ist sein Name praktisch unbekannt geblieben. Kathrin Pokorny-Nagel, Leiterin der MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung und Matthias Bechtle, Kunsthistoriker und Traimer-Kenner, geben anlässlich des 100. Geburtstags des Grafikers am 30. September 2021 Einblick in sein Werk.
Zum runden Geburtstag des Grafikers übergaben seine Söhne eine umfangreiche Schenkung an das MAK. Die Donation soll dazu beitragen, sein Werk entsprechend zu würdigen und seine Bedeutung als Grafikdesigner und Plakatkünstler vermehrt ins Bewusstsein zu bringen.
Bereits in der Schulzeit zeigte der 1921 in Schondorf (Bayern) geborene Gebrauchsgrafiker Heinz Traimer zeichnerisches Talent. So entwarf er für einen örtlichen Bäcker neue Verpackungen. Der Klavierspieler, ausgesprochene Sportler und angehende Medizinstudent wurde im Krieg als Funker eingezogen und kehrte 1945 mit einer Kinderlähmung aus der russischen Kriegsgefangenschaft zurück. Nun musste Traimer mühsam ins Leben zurückfinden und bewarb sich 1948 mit mehr als tausend anderen Interessierten um einen der 12 Plätze an der hoch angesehenen „Akademie für das Grafische Gewerbe – Meisterschule für Deutschlands Buchdrucker“ (1949–1952) in München, wo er auch angenommen wurde. Nicht leicht gestaltet es sich, die ersten Jahre des Grafikers nachzuvollziehen. Er arbeitete wohl teils freischaffend und teils angestellt in Münchner Werbeateliers, wo er erste Plakate und Prospekte für deutsche Sparkassen entwarf.
Auf Sommerfrische 1954 am Millstätter See lernte Traimer seine Ehefrau Gertraude kennen. In der Wirtschaftsjuristin aus Wien fand er eine geniale Partnerin, die ihn bis zu ihrem Tod (1979) betriebswirtschaftlich unterstützte.
In Wien fand er eine Anstellung als Atelierleiter in der großen Agentur „Koszler“, wollte sich künstlerisch aber nicht unterordnen und verließ bereits nach einem Jahr das Atelier. Er machte sich mit seiner Frau selbständig und gründete eine der ersten österreichischen Siebdruckereien, die „Kahlenberg-Graphik“, die sich zu einem sehr florierenden Betrieb mit mehreren Angestellten entwickelte. Hier war nun professionelles künstlerisches Arbeiten mit dem technischen Wissen um die Machbarkeit perfekt vereint. Jedenfalls muss schon vor Oktober 1955 ein Kontakt zur Werbeabteilung der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien und dem Sparkassen-Verlag erfolgt sein, da hier das erste signierte und weitverbreitete Weltspartags-Plakat entstand mit dem sinnigen Titel anlässlich des Staatsvertrages: „Sparen – frei sein!“.
Der lebensfrohe Grafiker und Werbetexter war zunächst erstaunt über die bisweilen düstere Sparwerbung in Österreich, die hungernde Kinder und Schreckens-Szenarien aller Art zeigte − da sich die Dargestellten keine Ersparnisse angelegt hatten. Nach zwei Weltkriegen und Inflationen, sowie der erst kurzen Souveränität des Landes hatte man weder Lust noch Reserven zum Sparen. Erschwert wurde die Werbetätigkeit der Banken aufgrund von Gesetzen, die Bankwerbung als sittenwidrig ansahen.
Traimer war neben der Gestaltung der Sparefroh-Plakate auch für die Schaufenster-Gestaltung zuständig. Schnell versuchte er eine Linie in die Monats-Plakate einzuführen, die bis dahin mal mehr mal weniger auf das Geldinstitut hinweisen. Bereits 1957 trugen die Plakate den Schriftzug „Die Heimische Sparkasse“, 1958 entstand eine erste richtige Linie, die Sparkassen-Logo, den Namen und einen Werbespruch durchgehend zeigen. Leuchtende Farben, humorige Themen ersetzten nun den „Schrecken“ des Sparzwanges. Besonders Kinder und Jugendliche wurden dazu animiert, ihr Geld in die Bank zu tragen. Die Stuttgarter Sparkassen-Zeichenfigur „Sparefroh“ wurde auch unter Traimer modifiziert und im Laufe der Jahre heimliches Markenzeichen der Sparkassen. Von Seiten der Politik war die Sparerziehung ein ganz großes Thema, bereits im Kindergarten wurde gespart. Überhaupt sahen sich die Sparkassen noch als Institute, die gesamtgesellschaftliche Verantwortung tragen und neben Benimm-Büchern, Haushaltskursen, Kunst-Sponsoring und Geldvorsorge auch Kunden vor unnötigen Geldausgaben bewahren wollen.
Der humorvolle Zugang zur Sparkassenwerbung war eine Brücke, Traimer blies deswegen starker Gegenwind entgegen. Im Panhans Hotel am Semmering stellte er oft die neue Plakat- und Werbelinie den Direktor*innen der Sparkassen und Zentralsparkasse vor. Aufregung herrschte jedes Jahr um den Weltspartag herum. Anfänglich von den anderen Banken belächelt, wurden später an diesem Tag Milliarden Schilling eingenommen, die teilweise mit Schubkarren abtransportiert werden mussten. Der Weltspartag war unbestrittener Werbe-Höhepunkt des Jahres, drei Plakatlinien, eines für Kinder, eines für die reifere Jugend und eines für die Erwachsenen. Geworben wurde in Schulen, Rathäusern, Bussen, Bahnen, Plakatflächen, Radio, Fernsehen, Kino, Klubhäusern, Zeitungen und Magazinen. Bundespräsidenten, Wirtschaftsminister und Bürgermeister hielten Reden, Kinder gingen als Sparefroh verkleidet mit einer Weltspartagsfahne durch die Orte zur Bank. Es gab kaum ein Entkommen.
1970 erklärten die jetzt groß gewordenen Werbeabteilungen der Sparkassen Traimer für nicht mehr zeitgemäß. Es sollten nun „sexy freche Mädchen“ für die Sparkasse lasziv am Geldstrumpf fummeln. Traimer konnte und wollte diese Themen nicht so umsetzen und wandte sich zunehmend anderen Auftraggebern zu. Die eingeführte Banalität der Motive beziehungsweise Verwirrung der Kunden durch „Imagewerbung“ und nicht passende Werbetexte zeigten bei den Sparkassen aber wenig Erfolg und so wandte man sich ab 1976 wieder an den erfolgreichen Grafiker, der nun völlig freie Hand bekam um die Kund*innen zurückzugewinnen. 1976 erhielt er den Staatspreis für Werbung und auch die Zentralsparkasse war wieder ein großes Thema. Bis zum Tod seiner Frau 1979 entwarf er geradezu ausufernd Plakate, nun auch für die Themen Kreditaufnahme und Finanzierung. In der privaten Sammlung Traimer befinden sich mehr als 300 verschiedene Plakate und 2 500 Grafiken des Grafikers. (www.sammlungtraimer.at, www.sammlung.mak.at)
Mit rund 30 000 Künstlerplakaten besitzt das MAK eine der bedeutendsten Sammlungen europäischen Schaffens auf diesem Gebiet. Frühe französische Plakate eines Jules Cheret oder Toulouse-Lautrecs sind hier ebenso zu nennen, wie sämtliche Secessions- und Hagenbundplakate und Plakate des russischen Konstruktivismus bis in die Gegenwart. Mit der jährlich stattfindenden Sonderschau 100 BESTE PLAKATE gibt das MAK einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen und Strömungen in der Plakatkunst.
Seit rund zwei Jahrzehnten ist es dem Museum ein besonderes Anliegen, in regelmäßigen Präsentationen die Grafikdesigner*innen jener Sujets einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen, die sich tief in unser Bewusstsein eingeprägt haben: so etwa der Meinl-Mohr von Joseph Binder, Salamander-Schuhe von Ernst Deutsch-Dryden, der Kirstein-Blockmalz-Mann von Margit Doppler oder der von Heinz Traimer in Österreich etablierte Sparefroh. Traimer hat mit seinen farbenfrohen Entwürfen, der Wertschätzung der Typografie und der Verwendung des qualitätvollen Siebdruck-Verfahrens Höhepunkte in der Plakatkunst der 1950er und 1960er geschaffen, die ohne die Umsicht seiner Söhne und die Aufbereitung durch das MAK der Nachwelt verborgen geblieben wären.
Ein Beitrag von Kathrin Pokorny-Nagel, Leitung MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung und von Matthias Bechtle, Kunsthistoriker