28. September 2022
Jojo Gronostay über seine künstlerische Arbeit zu den Sapeurs von Brazzaville im MAK Geymüllerschlössel
Als dritte Position der Reihe (CON)TEMPORARY FASHION SHOWCASE bespielt Jojo Gronostay das MAK Geymüllerschlössel mit einer künstlerischen Arbeit zu den Sapeurs von Brazzaville. Im Gespräch mit MAK Kuratorin Lara Steinhäußer erzählt der Künstler vom Bezug seiner Installation zu diesem spezifischen Ort, dem Performancecharakter der Sapeurs und dem eurozentristischen Blick auf Mode.
„Es war die besondere Ästhetik des Biedermeier-Interieurs, die mich unter anderem inspiriert hat.“ Jojo Gronostay
Lieber Jojo, danke, dass du dir Zeit nimmst, unsere Fragen für den MAK Blog zu beantworten. Deine Ausstellung ist noch bis 4. Dezember 2022 als dritter Teil der Reihe (CON)TEMPORARY FASHION SHOWCASE zu sehen. Gezeigt wird deine Ausstellung im MAK Geymüllerschlössel, einem Biedermeierjuwel in Pötzleinsdorf. Inwiefern ist dieser Ausstellungsort Bezugspunkt in deiner Videoinstallation MAGIC CANNOT CROSS THE SEA? Würdest du deine Arbeit sogar „ortsspezifisch“ nennen?
Ja, die Arbeit ist sehr ortsspezifisch und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich sie jemals woanders zeigen werde. Es war die besondere Ästhetik des Biedermeier-Interieurs, die mich unter anderem inspiriert hat, mit den Sapeurs in Brazzaville zu arbeiten. Ich würde sagen, meine Arbeiten sind oft eher minimalistisch in ihrem Erscheinungsbild, in diesem Fall wollte ich den Maximalismus dieser opulenten, biedermeierlichen Villa dem „Maximalismus“ der Sapeurs gegenüberstellen. Die Tonspur, die im gesamten Schlössel läuft, wurde von Sofie Fatouretchi ebenfalls speziell für diesen Ort entworfen.
Weshalb hast du diesen Titel gewählt?
Der Titel MAGIC CANNOT CROSS THE SEA ist ein Zitat aus dem Voodoo-Glauben, der in manchen Teilen Zentral- und Westafrikas noch präsent ist. Es besagt, dass Voodoo, vor allem schwarze Magie, nicht das Meer überqueren kann und damit in Europa zum Beispiel nicht wirkt. Diese Barriere hat mich interessiert. Wenn man an Mode denkt, kommt es mir auch so vor, als ob sie oft nicht außerhalb der Modemetropolen gedacht werden kann. Das kommt meines Erachtens dadurch zu Stande, dass Orte außerhalb der westlichen Welt fälschlicherweise als außerhalb der Zeit gedacht werden oder als Räume, die eher statisch als dynamisch sind.
Du beschäftigst dich in deinen künstlerischen Arbeiten häufig mit dem Verhältnis von Afrika und Europa, dem Entstehen von Wert und auch Mode spielt darin immer wieder eine wesentliche Rolle. In deiner Videoinstallation hast du dich mit den Sapeurs von Brazzaville beschäftigt, einem Streetstyle-Phänomen, das in den letzten Jahren auf starkes Echo in der Populärkultur und (akademischen) Modeliteratur in Europa und den USA gestoßen ist. Was genau hat dich an der Thematik interessiert/fasziniert, als du begonnen hast, diese Arbeit für das Geymüllerschlössel zu entwickeln? Gab es im Entstehungsprozess – z.B. vor Ort bei den Filmaufnahmen oder im Zuge deiner Recherche Facetten oder Aspekte, die dich überrascht haben, oder dich auch dazu gebracht haben, anfängliche Einschätzungen zu revidieren?
Mir war bewusst, dass ich in diesem Fall mit Stereotypen oder auch einem Klischee von Afrika arbeite. Das ist mir vor Ort auch noch klarer geworden. Mich hat aber vor allem der performative Aspekt der Sapeurs interessiert. Fragen wie: „Performt ein Sapeur nur vor der Kamera? Wann endet die Performance? Und ist die Kleidung dann nicht eher ein Kostüm? Darüber hinaus hat mich der spirituelle Aspekt dieser Bewegung interessiert, sowie der Moment der Selbstermächtigung der Sapeurs.
Der Anzug gilt eigentlich als klassisch männlich konnotiertes Kleidungsstück, das sich in seiner gedeckt-farbigen Form im Anschluss an die Französische Revolution als Uniform des arbeitenden rationalen männlichen Bürgers in Europa (bzw. im Globalen Norden) entwickelte. Er wurde in der Modetheorie häufig sogar als Gegensatz zu einer sich permanent wandelnden Damenmode mit einer gewissen Zeitlosigkeit in Zusammenhang gebracht. Waren die Brüche in der Konstruktion von Männlichkeit bei den dandyhaft in bunten Kombinationen auftretenden Sapeurs auch von Interesse für dich, als du dich mit Ihnen beschäftigt hast oder weshalb zeigst du ein nahezu ausgeglichenes Geschlechterverhältnis (2:3) in deiner Videoinstallation?
Ja, genau. Das war einer der Gründe für das nahezu ausgeglichene Geschlechterverhältnis.
Deine Arbeit scheint den eurozentrischen Blick, mit dem Mode als solches gemeinhin charakterisiert und auch Museumssammlungen angelegt wurden, sichtbar zu machen. Ist dies dein zentrales Anliegen mit dieser Arbeit? Hast du das Gefühl, dass sich zu wenige Menschen ihrer Perspektive bewusst sind und was glaubst du, dass es ändert, wenn das Bewusstsein dafür steigt?
Das kann ich gar nicht so genau beantworten und ich möchte den Betrachter*innen das Denken auch nicht vorschreiben. Der eurozentrische Blick auf die Mode ist aber sicherlich etwas was mich persönlich interessiert.
An welchem Projekt arbeitest du gerade?
Zurzeit arbeite ich an „Parfüm-Skulpturen“ für eine Ausstellung, die noch in diesem Jahr stattfinden wird und an einem neuen Videoprojekt, das sich mit brutalistischer Architektur in Afrika auseinandersetzt – aber mehr möchte ich noch nicht verraten.
Das Gespräch führte Lara Steinhäußer, Kustodin MAK Sammlung Textilien und Teppiche.
Der dritte Teil der Reihe (CON)TEMPORARY FASHION SHOWCASE ist unter dem Titel MAGIC CANNOT CROSS THE SEA von Jojo Gronostay noch bis 4. Dezember im MAK Geymüllerschlössel zu sehen.