3. April 2019
Koloman Moser als Maler. Der Kunsthistoriker Stefan Üner gibt Einblick in den Forschungsstand
Mit seinem Vortrag Koloman Moser als Maler war der Kunsthistoriker und ausgewiesene Moser-Experte Stefan Üner am 7. April 2019 zu Gast im MAK. Am MAK-Blog verrät Üner einige seiner Forschungsthesen in Bezug auf Mosers bedeutende Rolle als Maler in der österreichischen Moderne:
Universalkünstler
„Goethe! Endloses Kapitel. Für mich in Bezug auf Farbenlehre Evangelium.“ Mit dieser dogmatischen Aussage fasste Koloman Moser seine Malerei im expressiven Farbenrausch zusammen. Was Stefan Sagmeister oder Philippe Starck heute darstellen, war Koloman Moser vor 100 Jahren. Als Universalkünstler und Art-Director prägte er die Wiener Moderne wie kein anderer. Anders in der Malerei. Hier stand er stets im Schatten von Größen wie Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka. Heute sind seine Gemälde gefragter denn je, werden zu Höchstpreisen am internationalen Kunstmarkt gehandelt.
Frühe Jahre
Für Koloman Moser signalisierte die Malerei den Beginn und das Ende seines vielschichtigen, komplexen Werks. Schon sehr früh zeigte sich seine künstlerische Ambition. Als Jugendlicher nahm er heimlich Zeichenunterricht an der Gewerbeschule, zeichnete Vorbilder nach der klassischen Antike. Als 17-Jähriger bestand er ohne das Wissen seiner Eltern die Aufnahmeprüfung an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Der Unterricht seiner Lehrer Franz Rumpler, Christian Griepenkerl und Mathias von Trenkwald war geprägt von „der damals ausschließlich herrschenden akademischen Art“, wie Moser später in seiner Autobiografie 1916 rückblickend berichtete.
Seine frühe Ölmalerei ist noch stark geprägt durch den Historismus, der bis ins späte 19. Jahrhundert die dominierende Stilrichtung war. Bei den meist weiblichen Porträts orientierte sich Moser an einer realistischen Wiedergabe in dunklen, schweren Farbtönen. In Anlehnung an die Makart-Mode spielte er in seinen Bildern mit modischen Accessoires wie Hüten, Halsbändern, Haarreifen und kunstvollen Frisuren. Neben Porträts malte er auch religiöse Motive und Genrebilder, wie die beiden um 1891 entstandene Gemälde „Beweinung Christi“ und „Die Märchenerzählerin“. Bilder wie diese lassen den kunstgeschichtlichen Einfluss erkennen, von der Renaissance bis zum Biedermeier, von Andrea Mantegna bis Ferdinand Georg Waldmüller.
Mosers Jahre an der Akademie
Als Student an der Wiener Akademie lernte Moser den zwei Jahre jüngeren Josef Hoffmann kennen, beide sollten später als kongeniales Duo der Secession und der Wiener Werkstätte zu internationaler Bekanntheit verhelfen. Für Hoffmann war Moser in dieser Aufbruchsstimmung „das treibende Element dieser kleinen Gruppe von Pfadfindern […]. Er war mit nichts zufrieden und verstand es, bei unseren täglichen Zusammenkünften uns für alle Arten bildender Kunst zu interessieren und zu begeistern.“ Angeregt durch die Bekanntschaft mit Gustav Klimt und der internationalen Entwicklung im Ausland, fand Moser Mitte der 1890er Jahre zu einer modernen und zeitgemäßen Bildsprache in Anlehnung an Jugendstil und Symbolismus, bei der naturalistische und traumähnliche Sequenzen zum Vorschein kamen.
Landschaften, Stillleben und Porträts
Nach turbulenten Reformjahren in der Secession und der Wiener Werkstätte sowie als Professor an der Kunstgewerbeschule, sollte für Moser die Malerei ab 1907 wieder in den Vordergrund rücken. Landschaften, Stillleben und Porträts bestimmten nun seine Bildthemen. Vor allem die Natur wurde für Moser zum zentralen Thema. Er wollte Bilder malen, bei deren Betrachtung man „mit den Augen spazieren gehen könne.“ Dabei ging es ihm nicht um reale Wahrnehmung, sondern um die Abstrahierung der Natur im zweidimensionalen Medium. In seinen atmosphärischen Landschaftsmotiven wird das profunde Studium der Farb- und Lichtwirkung deutlich. Die Vereinfachung der Form und Konzentration auf das Wesentliche war für Moser ein entscheidendes Kriterium, nicht nur in der Malerei, sondern in all seinen künstlerischen Arbeiten.
Stilwende in der Malerei
Der Besuch beim Schweizer Maler Ferdinand Hodler im Jahr 1913 sollte für Moser eine stilistische Wende bedeuten. Seine Bilder gewannen an Strenge und Frontalität, an Symmetrie und Monumentalität, die Farbpalette wurde kühler, die heroische Idealisierung der Natur und des Menschen in den Vordergrund gerückt. Gleichzeitig stand Moser dem „Parallelismus“, der sich auf die rhythmische Gleichwertigkeit von Form und Farbe konzentrierte, skeptisch gegenüber: „So gern ich Hodler hab – der Parallelismus könnt ihn mir verleiden.“ In seinen metaphorisch aufgeladenen Bildern mit philosophischer Dimension zeigt sich die radikale Abkehr von der Naturbeobachtung, die weit über die Gegenständlichkeit von Hodlers pathetischer Malweise hinausgeht.
Bilder vom Semmering und vom Wolfgangsee bezeugen seine konsequente Auseinandersetzung mit der Abstraktion, bei der Spiegelungen oder Lichtreflexe dem reinen Farbauftrag weichen, ähnlich der späteren Farbfeldmalerei. Simultankontraste – die Wechselwirkung von benachbarten Farbflächen – interessierten ihn ebenso wie die Farb- und Linienwirkung, die einen ästhetischen Reiz erzeugen. Was wäre, wenn Moser 1918 nicht frühzeitig verstorben wäre? Wie hätte er sich stilistisch weiterentwickelt? So oder so, als „Tausendkünstler“, wie in Hermann Bahr einmal bezeichnete, hat er Generationen von KünstlerInnen und DesignerInnen bis heute beeinflusst.
Ein Beitrag von Stefan Üner, Kunsthistoriker
Die MAK-Ausstellung KOLOMAN MOSER. Universalkünstler zwischen Gustav Klimt und Josef Hoffmann war von 19. Dezember 2018 bis 22. April 2019 in der MAK-Ausstellungshalle zu sehen.