26. November 2020
Social Pool: Der Swimmingpool von Alfredo Barsuglia in der Mojave-Wüste
+++ Mitten in der kalifornischen Mojave-Wüste baute der österreichische Künstler Alfredo Barsuglia im Jahr 2014 einen kleinen Swimmingpool. Der Social Pool, ein Schlüsselwerk seines künstlerischen Schaffens, ist im MAK DESIGN LAB mit einer Videoinstallation vertreten. Für den MAK-Blog skizziert Barsuglia die Entstehung des mittlerweile zerstörten Werks, das eine hochmotivierte Community versucht wiederzubeleben. +++
Geheime Lage
Die Recherche zu den örtlichen Gegebenheiten und auch die physische Auseinandersetzung mit den geografischen, sozialen und gesellschaftlichen Parametern einer Situation geht meiner eigentlichen Arbeit meistens voran. Wenn ich das für mich wesentliche Merkmal einer Aufgabenstellung erfasst habe, mache ich ihr Gegenteil zum Inhalt der Arbeit. Das Sichtbarmachen des Gegenteils ist eine von mir oft praktizierte Möglichkeit, um mich einem Thema objektiv anzunähern. Diese Herangehensweise, die Methode der Umkehrung, ist in der Wissenschaftstheorie als hermeneutischer Zirkel bekannt.
Die Errichtung eines kühlenden Pools in der von einer Hitzewelle erfassten Wüste war damit naheliegend und auch das augenscheinlichste Merkmal dieser Arbeit. Mein eigentliches Interesse lag aber im prozessualen und partizipativen Aspekt, denn der Weg zum Social Pool war beschwerlich und mit Restriktionen verbunden: Die genaue Lage des zirka dreieinhalb Meter langen und eineinhalb Meter breiten Pools war geheim. Die Poolabdeckung war nur mit einem Schlüssel zu öffnen, der sich im etwa zweieinhalb Autostunden entfernten MAK Center for Art and Architecture in West Hollywood befand. Nur einmal täglich wurde der Schlüssel an eine Gruppe von Interessenten für die Dauer von 24 Stunden ausgehändigt.
Hype um Social Pool
Der Andrang auf den Social Pool war so groß, dass Personen vor dem MAK Center übernachteten, um am nächsten Tag, wenn das Museum um 11 Uhr vormittags aufschloss, den Schlüssel und die geheimen GPS-Koordinaten für sich beanspruchen zu können. Der Hype um Social Pool entstand meiner Meinung nach wegen den unterschiedlichen Zugängen zur Arbeit, den gegensätzlichen Reaktionen und Meinungen, sowie wegen den kontroversiellen Diskussionen in diversen Online-Foren.
Mit dem Ende der ersten Social Pool-Saison am 30. September 2014 endete auch die Zusammenarbeit mit dem MAK Center, das für die Kommunikation mit den BesucherInnen verantwortlich zeichnete. Der Pool war von da an sich selbst überlassen. Ein anonymer Eintrag auf Wikipedia, der die geheim gehaltenen GPS-Koordinaten veröffentlichte, bewirkte einen regelrechten Ansturm auf den Social Pool, der in den kommenden zwei Jahren nicht abreißen sollte. Im Jahr 2016 bedurfte der Pool einer Sanierung, die die zahlreichen „Fans“ selbst in die Hand nehmen wollten. Zur besseren Koordination der freiwilligen HelferInnen wurde auf Facebook die „Social Pool – Reactivation“-Gruppe erstellt, die ich mit großem Interesse verfolgte, ohne selbst aktiv in den Verlauf einzugreifen.
Digital konnte ich von Österreich aus miterleben, wie die selbstorganisierten, gemeinschaftlichen Renovierungsarbeiten gut vorangingen, bis Vandalen den damals ausgelassenen Pool in Brand setzten und unwiederbringlich zerstörten.
Social Pool 2.0
Das scheinbar definitive Ende des Social Pools mündete in ein neues, sozial motiviertes, „Community“-Vorhaben, dem ich ebenfalls passiv beiwohnte und das ich mit Spannung verfolgte. Aus der „Social Pool Reactivation“-Gruppe bildete sich die Splittergruppe „Social Pool 2.0“, die bis heute hochmotiviert versucht, Merchandise-Produkte zu verkaufen und über Spenden finanzielle Mittel zu akquirieren, um einen in Beton gefertigten Social Pool mit „Spezialausstattung“ realisieren zu können. Beide Facebook Gruppen sind aktiv und zählen zusammen über eintausend Mitglieder.
Das Social Pool-Projekt hat sich emanzipiert: Es bedarf weder des Künstlers, noch einer Institution. Der Pool muss nicht einmal existieren, um real zu sein.
Die Facebook Gruppen:
https://www.facebook.com/groups/1270415606319829
https://www.facebook.com/groups/301921723676383
Ein Gastbeitrag von Alfredo Barsuglia