I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it. Vincent Fecteau und Florian Pumhösl im Schindler House, MAK Center, Los Angeles

17. Dezember 2021

Insights

Das Wohnhaus des 1914 emigrierten österreichisch-amerikanischen Architekten Rudolph M. Schindler (1887–1953), der die Moderne in Kalifornien mit sozialutopischen und experimentellen Konzepten prägte, ist das öffentliche Zentrum der MAK-Schindler-Initiative und des MAK Center for Art and Architecture in West Hollywood, Los Angeles. In den minimalistischen Räumen des Schindler House, das 1922 – vor rund 100 Jahren – gebaut wurde, entwickelte MAK-Kuratorin Bärbel Vischer mit den Künstlern Vincent Fecteau und Florian Pumhösl einen Dialog, der unterschiedliche räumliche Situationen aufnimmt.

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Vincent Fecteau, 2021
© Estaban Schimpf

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Florian Pumhösl, 2021
© FP

Im Kontext der Moderne beleuchtet die Ausstellung das Verhältnis von Bildern, Objekten und Inkunabeln der Abstraktion. Gemeinsam inszenierten  ein Zusammenspiel bildhafter, malerischer, dreidimensionaler Arbeiten, Studioproduktionen und dem architektonischen Setting des Schindler House in Bezug auf Materialität, Oberfläche, Muster, Farbe und Licht. Der Titel der Ausstellung I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it. [Ich höre die antike Musik aus Wörtern und Wörtern, ja, das ist es.] greift ein Zitat der brasilianischen, mit ihrer Familie aus der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik emigrierten Schriftstellerin Clarice Lispector (1920–1977) aus ihrem 1977 erschienenen Roman A Hora da Estrela [Hour of the Star / Die Sternstunde] auf. Lispector stellt hier den Bezug zwischen Sprache, Musik und Zeit her. Sie bezieht sich auf den durch ihr Schreiben erzeugten intimen Moment, der die Verbindung zur Ideenwelt widerspiegelt und mit Raum, Stimmung und Geschichte korrespondiert.

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Florian Pumhösl, 2021
© Estaban Schimpf

Der Rhythmus der Ausstellung, die für das ehemalige Studio und Wohnhaus von Rudolph M. und Pauline Schindler (1893–1977) konzipiert wurde und in der Architektur als Intervention angelegt ist, nimmt Werkstudien von Vincent Fecteau und Florian Pumhösl und Gegenstände aus ihren privaten Sammlungen auf. Die Künstler evozierten einen Austausch mit ihren Studios und wählten aus ihren Beständen und Archiven; Studien, Versuche, Materialien und Momentaufnahmen ihrer Produktionen verleiten zu Gedankenspielen und ungewöhnlichen Assoziationen, in denen die Betrachter*innen den unscharfen Linien und rauen Kanten der modernen Kunst aus heutiger Perspektive folgen können.

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Vincent Fecteau, 2021
© Estaban Schimpf

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Vincent Fecteau, Florian Pumhösl, 2021
© Estaban Schimpf

Die Skulpturen von Vincent Fecteau (1969), der in San Francisco lebt und arbeitet, bestehen aus verschiedenen Materialien wie Pappmaché, Karton und Modelliermasse. Die auf den ersten Blick abstrakten Formen und Farben oder symbolischen Architekturfragmente und Fundstücke beleuchten Fragen der Repräsentation, insbesondere der Fotografie und ihrer Darstellung von Raum. Als mehrteilige Arbeit für die Ausstellung verwebte Fecteau digitale Fotos zu Collagen und erweitert den Bildraum. Lose auf dem verbleibenden originalen Mobiliar des Schindler House arrangiert, den Bücherregalen neben den zentralen offenen Kaminen mit ihrer Verkleidung aus Kupferblech und einem Arbeitstisch, verbinden sie Skulptur und Architektur. Alltagsobjekte, architektonische Strukturen, massenmediale Artefakte und Spuren sozialer Interaktion setzen im Setting des privaten Hauses subtile Impulse.

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Vincent Fecteau, 2021
© FP

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Vincent Fecteau, 2021
© Estaban Schimpf

Vincent Fecteau ist an der Atmosphäre von Wohnräumen interessiert. Er schöpft aus Bildern, die er gesammelt hat sowie aus Bildern, die er im Laufe der Jahre aufgenommen hat. Dem Künstler gefällt die Idee, seine Werke wie Familienfotos in einer Reihe von Arrangements im ganzen Haus zu zeigen. Das Display der Objekte lässt eine Erzählung zwischen Vorstellung und Realität entstehen. Er betrachtet diese fotografischen Arbeiten – Schnappschüsse – als Skulpturen, die in die Architektur eingefügt werden. Muster und Formen, geschwungene Elemente, expressive Formensprache, architektonische Oberflächen, gefundene Objekte und ein Zusammenspiel der Farben bestimmen seine Arbeiten: Fotografie, die er als Skulptur denkt – „photograph-as sculpture“ – so der Künstler.

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Vincent Fecteau, Florian Pumhösl, 2021
© FP

Der Wiener Künstler Florian Pumhösl (* 1971) kontextualisiert die Abstraktion von Bildern, Materialien und Formen und orchestriert dabei das Zeitgenössische von Handwerk und Objektgeschichte. In der Matrix seiner Werke verbindet er die Qualität des grafischen Bildes und die Präsenz der Malerei; er erweitert die Grenzen ihres Mediums und Materials – wie Bleche aus Stahl, Aluminium, Blei oder Keramik und Gipsabgüsse – sowie die Flüchtigkeit von Farbe und Licht. Im Archiv seines Ateliers bewahrt Pumhösl eine große Auswahl an Werken auf, die seinen künstlerischen Handlungsraum, den Denk-, Bild-, und Produktionsprozess prägen. Er interessiert sich für die Deformation des Bildraums und ist sich der Mehrdeutigkeit der Materialsprache und seiner Geschichte bewusst.

Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it
MAK Center for Art and Architecture, Los Angeles, Schindler House
Ausstellungsansicht, Florian Pumhösl, 2021
© Estaban Schimpf

Formen, Umrisse und Ausschnitte bündelt er zu Negativformen, die einen starken Reliefcharakter aufweisen; dabei lässt er Grate als Zeichnung stehen, die Bildflächen bleiben verzerrt. Gefundene Dachmaterialien führten ihn – gleichsam als Modelle – zu Studien aus Bleifolie. Diese Arbeiten bestehen aus gefalteten Bleiblechen mit kleinen Unregelmäßigkeiten in ihren Winkeln und Formen. Durch singuläre Konstruktionen und deren Wiederholung erscheinen einige der Konstellationen und Kompositionen wie textile Fragmente beziehungsweise werden durch diese Assoziationen erzeugt. Pumhösl bemalte die Werke mit einer Reihe ungewöhnlicher Pigmente: Ein rostiges Rot spricht die Eisenoxidbasis des Materials an, Grau erzeugt eine unendliche Tiefe, während Weißtöne die Idee von Abstraktion, Balance und Raum verdoppeln.

Ein Beitrag von Bärbel Vischer, Kustodin der MAK-Sammlung Gegenwartskunst

Die Ausstellung Vincent Fecteau und Florian Pumhösl: I hear the ancient music of words and words, yes, that’s it. ist bis 20. Februar 2022 im Schindler House, MAK Center for Art and Architecture in Los Angeles zu sehen.

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