9. August 2023
3D-Scans: MAK-Objekte zum Greifen nahe
Nicht anfassen! Das gilt für nahezu alle Objekte in Museen, dabei würde man doch so gerne noch viel mehr erfahren, die Rückseite anschauen oder durch kleine entdeckte Details einen Augenblick die Gedanken schweifen lassen. Man will die Objekte erfassen, begreifen, ja sogar anfassen! Digital sind einzelne MAK-Objekte dank des neuen 3D-Scanners des MAK nun zum Greifen nahe.
Es ist so weit: Das MAK erstellt erstmals hausintern dreidimensionale Scans seiner Objekte und wird diese auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Dank einer großzügigen Förderung durch das BMKÖS / NextGenerationEU wurde das Projekt MAK 3D – Digitalisate, Daten, Display ermöglicht. Innerhalb dieser ambitionierten Initiative hat die Digitalisierung des sogenannten Videoarchivs begonnen und der Nachlass der Architektin Anna-Lülja Praun, das Gipsinventar, Möbelrisse, Teile des Hagenauer-Archivs und vieles mehr werden erfasst werden. Neben all diesen Teil-Projekten konnten auch ein 3D-Scanner angeschafft und für den Projektzeitraum neue Stellen geschaffen werden. Ein erster Sneak Peak ist ab sofort auf der Plattform Sketchfab zu sehen. (Sketchfab ist ein Webservice, der interaktive 3D-Modelle ohne Plug-in online veröffentlicht, freigibt und einbettet). Um die neuen digitalen Assets auch zeitgerecht präsentieren zu können, wird auch die MAK Sammlung Online umgestaltet werden.
Dabei sind dreidimensionale Objekte und Räume für das MAK keineswegs ein Neuland. Bereits im Zuge des EU-Projektes Partage Plus wurden 3D-Aufnahmen einiger Objekte angefertigt. Die Ergebnisse haben vor zehn Jahren allerdings auf wissenschaftlicher Ebene noch nicht ausreichend überzeugt. Die nächsten Versuche bewegten sich im virtuellen dreidimensionalen Raum, wie beispielsweise das künstlerische Virtual-Reality-Experiment Klimt’s Magic Garden. Über Google Arts & Culture werden 3D-Rundgänge durch das reale MAK und die MAK Expositur Geymüllerschlössel angeboten. Während der durch die Corona-Pandemie bedingten Schließzeiten konnte dann temporär ein 3D-Rundgang durch die im Dezember 2020 eröffnete Ausstellung SHEILA HICKS. Garn, Bäume, Fluss online angeboten werden. Schließlich wurde auch die Ende 2021 eröffnete Ausstellung Josef Hoffmann: Fortschritt durch Schönheit mit einer 3D Kamera vermessen, um allen Besucher*innen, die physisch nicht an ihr teilnehmen konnten, die Möglichkeit einer digitalen Erlebniswelt zu bieten und das MAK nachhaltig als Kompetenzzentrum für das Leben und Werk Josef Hoffmanns zu verankern.
Im Zuge der Schaffung des virtuellen Hoffmann-Erlebnisses entstand zusätzlich eine kleine Anzahl an 3D-Modellen – darunter auch von einem Sessel, den Josef Hoffmann für das Sanatorium Purkersdorf designt hat. Im MAK reifte zu diesem Zeitpunkt bereits länger die Überlegung, einige Sammlungsobjekte mittels 3D-Modellen als Highlights in der MAK Sammlung Online hervorzuheben.
Auf freundliche Einladung von Andreas Kroh, dem stellvertretenden wissenschaftlichen Geschäftsführer des NHM, konnten wir uns im Dezember 2022 im NHM abermals von den Vorzügen des 3D-Scannens überzeugen. Das NHM besitzt ein eigenes, hochmodernes 3D-Labor, das neben zwei handgeführten 3D-Scannern seit 2021 auch über einen Microcomputertomographen (Micro-CT) verfügt. Andreas Kroh und Viola Winkler, die im NHM die 3D-Scans und Microcomputertomografien vornimmt, nahmen sich viel Zeit für uns, ließen uns über die Schulter schauen, beantworteten geduldig all unsere Fragen und brachten uns mit ihrem Wissen und ihrer Expertise den Workflow des 3D-Scannens nicht nur näher, sondern uns vollends auf den Geschmack.
Während unseres Besuchs fertigte Viola Winkler zu Demonstrationszwecken sogar 3D-Scans von zwei Objekten aus der MAK Sammlung an. Dabei handelt es sich um eine Elfenbeinfigur in Form eines Nashorns aus dem 17. Jahrhundert (Inventarnummer PL 559) sowie ein Etui für eine Tasse mit Untertasse aus Leder und Holz (Inventarnummer LE 635). Die Scans beider Objekte hat das NHM in weiterer Folge großzügiger Weise nachbearbeitet und optimiert und sie können nun ebenfalls auf Sketchfab betrachten werden:
Nach der Projektzusage des BMKÖS um Ostern 2023 ging es dann los. Es folgten die Anschaffung eines 3D-Scanners und eine Einschulung im Juni 2023. Für diesen Termin stieß auch Felix Kofler aus der Sammlung Design zu uns. Felix Kofler hatte bereits mit 3D-Scannen zu tun und plant, auch nach Projektende Scans für das MAK anzufertigen. Nun können wir also selbst unsere ersten Objekte dreidimensional erfassen. Der 3D-Scanner Artec EVA – oder „das Bügeleisen“, wie wir ihn liebevoll getauft haben – scannt mit 16 frames pro Sekunde und einer 3D-Auflösung von 0,2mm. Wir sind gespannt, ob wir dadurch vielleicht sogar bisher Unbemerktes an den Objekten entdecken werden.
Seit Anfang Juli verstärkt auch Vasiliki Lagari das Team des Digitalen MAK als Allround-Expertin für 3D-Digitalisierung. Als studierte Archäologin hat sie bereits an einer Reihe von Ausgrabungen und archäologischen Forschungsprojekten teilgenommen, darunter in Neo Rysio – Kardia, Thessaloniki, Griechenland sowie in Palloures, Zypern. Im niederländischen Amsterdam und Leiden hat sie mit den unterschiedlichsten 3D-Scannern gearbeitet. Zusammen mit Kristina Wissik treibt Vasiliki Lagari im Rahmen des Digitalisierungsprojektes die Umsetzung der 3D-Scans tatkräftig voran. Auf unserem Sketchfab-Kanal kann man bereits die ersten schönen Ergebnisse betrachten!
Aber warum wird denn nun überhaupt 3D-gescannt?
3D-Scans dienen in erster Linie der Dokumentation, dem Erhalt und der barrierefreien Präsentation. Die meisten im MAK ausgestellten Objekte sind dreidimensional und können nun auch im digitalen Raum als solche in Szene gesetzt werden. 3D-Modelle ermöglichen es, ein Objekt allseitig zu betrachten und mit verschiedenen Blickwinkeln und Zoomfaktoren zu untersuchen, ohne das Original berühren zu müssen. Das schont das Original und lässt gleichzeitig die Untersuchung des Objekts von zu Hause aus zu, was wiederum umweltschonend weite Anfahrten erspart. Objekte können digital in mehreren Ausstellungen zugleich gezeigt werden und mehr Menschen kann ungehinderter Zugang zu wertvollen Stücken unseres Kulturerbes ermöglicht werden. 3D-Modelle könnten zukünftig zudem als Vorlagen für die Erstellung von 3D-Drucken dienen, die beispielsweise wiederum in der Vermittlung bei Workshops zum Einsatz kommen könnten.
Es wird spannend sein, die wachsende Zahl an 3D-Modellen in der MAK Sammlung Online zu beobachten und unsere Objekte laufend neu zu entdecken. Wer weiß, auf welches Detail Sie stoßen? Die ersten Objekte der MAK Sammlung sind digital bereits zum Greifen nahe!
P.S.: Lagaris Lieblingsobjekt aus den im Juli entstandenen Modellen ist übrigens ein Bilderrahmen, der zu den Einrichtungsgegenständen eines Puppenhauses gehört. Doch das ist bereits eine andere Geschichte.
Ein Beitrag von MAK Digitalisierungsexpertin Vassiliki Lagari, dem Leiter Digitales MAK Christian Michlits und der MAK Fotografin Kristina Wissik.
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