LOBMEYR AUSSTELLEN. Zur Präsentation von Glas durch die Verlegerdynastie Lobmeyr

31. August 2023

Forschung & Sammlung

Die aktuelle MAK Ausstellung GLANZ UND GLAMOUR. 200 Jahre Lobmeyr bietet Anlass, ein Thema näher zu beleuchten, das quer durch die Geschichte der bedeutenden Wiener Glasverlegerdynastie wesentlich zu ihrem Erfolg beigetragen hat: die besondere Art, Glasobjekte in Ausstellungen zu zeigen. Lobmeyr verstand es von Beginn an, die drei Bereiche der Glasproduktion – Spiegel, Hohlglas und Luster – in einheitlicher und beeindruckender Weise zu präsentieren, schildert MAK Kurator Rainald Franz. In die Planung dieser Präsentationen wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch Entwerfer und Architekten miteinbezogen.

Arbeiter mit der Kiste für den Luster im Österreichischen Pavillon der Weltausstellung, New York, 1964 © J. & L. Lobmeyr

Arbeiter mit der Kiste für den Luster im Österreichischen Pavillon der Weltausstellung, New York, 1964
© J. & L. Lobmeyr

Mit der Geschäftsgründung durch den Glasergesellen Josef Lobmeyr in der Wiener Innenstadt begann 1823 die Erfolgsgeschichte des heute in sechster Generation geführten Familienunternehmens. Josef Lobmeyr (1792–1855) entwickelte den Glashandel weiter, indem er Fabriken im heutigen Kroatien pachtete. In böhmischen Glashütten ließ er zudem nach – wie er vermerkt – „eigenen Mustern und Zeichnungen“ arbeiten. Anlässlich der Lieferung des ersten Trinkservices für den Wiener Hof wurde Josef Lobmeyr 1835 zum „Hofglaswarenhändler“ ernannt.

Durch Orientierung an internationalen Vorbildern, Präsentationen bei Weltausstellungen, enge Kontakte zu den führenden Kreativen der Wiener Ringstraße und den Protagonisten der Kunstgewerbereform wie Rudolf Eitelberger von Edelberg, erlebte das Unternehmen einen immensen Aufschwung. 1862 stellten die Brüder Lobmeyr zum ersten Mal auf einer Weltausstellung aus.

Erste Präsentation der Firma Lobmeyr auf der Londoner Weltausstellung, 1862 © J. & L. Lobmeyr

Erste Präsentation der Firma Lobmeyr auf der Londoner Weltausstellung, 1862
© J. & L. Lobmeyr

Josef und Ludwig hatten 1851 gemeinsam die erste Londoner Weltausstellung, die Great Exhibition, besucht und festgestellt, dass die böhmischen Produkte mit der internationalen Konkurrenz mithalten konnten. Die Great Exhibition hatte das Zeitalter der Ausstellungen zum Vergleich der Kunst- und Industrieleistungen weltweit eingeläutet, ein Wettlauf um die internationale Führerschaft in Geschmacks- und Technikfragen begann. Elf Jahre später präsentierte sich J. & L. Lobmeyr in London mit außergewöhnlichen Trinkservicen aus geschliffenem und graviertem Glas, wofür sie eine silberne Medaille erhielten. Entwürfe kamen von Theophil von Hansen, Friedrich Schmidt, dem Erbauer des Wiener Rathauses, und Josef Storck, vieles aber auch von Ludwig Lobmeyr selbst. „Zu den größten und schönsten Sammlungen der österreichischen Abtheilung gehört unstreitig diejenige der Glaswaren von J. und L. Lobmeyr in Wien. […] und trug nicht wenig bei zu dem rühmlichen Erfolge, welchen sich die Industrie des Kaiserstaats auf der Weltausstellung errang.“, liest man in der Festschrift zur Eröffnung des neuen Museumsgebäudes am Stubenring am 4. November 1871, Wien 1871, S. 27–34. Nach dem frühen Tod des Bruders 1864 verfolgte Ludwig Lobmeyr (1829–1917) weiterhin die Neuausrichtung der Manufaktur und beauftragte damalige Stararchitekten wie Theophil Hansen mit Entwürfen. Bald belieferte die Firma Lobmeyr den gesamten europäischen Hochadel mit ihren Produkten.

Stand der Firma Lobmeyr auf der Pariser Weltausstellung, 1867 © J. & L. Lobmeyr

Stand der Firma Lobmeyr auf der Pariser Weltausstellung, 1867
© J. & L. Lobmeyr

Auf der Wiener Weltausstellung 1873 präsentierte J. & L. Lobmeyr ein Sortiment auf einem riesigen Stand in der neu errichteten Industriehalle der Rotunde. Im Zentrum hing ein Kronleuchter für 96 Kerzen, dessen Gestell aus vergoldetem Eisen bestand. Das berühmte „Kaiserservice“ war ebenso zu bewundern wie eine große Zahl an Servicen, Vasen, Schalen und Krügen, welche den Formen- und Farbenreichtum der Produktion vermittelten. Nach der Ausstellungseröffnung am 1. Mai 1873 kam es zum Börsenkrach, ein Ausbruch der Cholera hielt einen großen Teil des ausländischen Publikums von einem Besuch ab. Lobmeyr verkaufte auf der Wiener Weltausstellung kaum ein Stück. Einiges befindet sich bis zum heutigen Tag in der Firmensammlung. Ludwig Lobmeyr schildert in seiner äußerst lesenswerten Selbstbiografie (Waltraud Neuwirth, Lobmeyr / Schöner als Bergkristall. Ludwig Lobmeyr. Glaslegende, Selbstverlag, Wien, 1999) seine intensive Beteiligung an Gewerbe- und Weltausstellungen zur Präsentation der Produkte der Firma Lobmeyr, die auch immer wieder zu Großaufträgen führte. So schloss sich an die Präsentation 1876 in der Deutschen Kunst- und Kunstindustrieausstellung in München, bei der der Kontakt mit Ludwig II. von Bayern zustande kam, die Bestellung von Lustern für die Ausstattung der Grand Galerie in Herrenchiemsee nach Vorbild der Galerie in Versailles ab 1881 an, der größte Auftrag der Firma im 19. Jahrhundert.

 

1876 stellte Lobmeyr auch in der International Exhibition in Philadelphia aus und wurde mit einem Award of Excellence für die Präsentation ausgezeichnet. Es folgten Beteiligungen an der Weltausstellung in Paris 1878 und 1879 eine große Ausstellung im k. k. Österreichischen Museum für Industrie, dem heutigen MAK. 1895 erfolgte die Übersiedlung der Firma Lobmeyr in das neu erbaute Haus Kärntnerstrasse 26, mit der Geschäftsportalgestaltung von Alois Maria Wurm-Arnkreuz, und hier neuerlich eine Möglichkeit, Glasobjekte der Firma Lobmeyr in einer Dauerausstellung zu inszenieren. Viele Objekte aus Weltausstellungen zählen bis heute zur Ausstattung des Geschäftes, die im Kern kaum verändert und zum 200-Jahr-Jubiläum fachgerecht restauriert wurde.

 

Ab 1897 nahm Lobmeyr regelmäßig an Ausstellungen im k. k. Österreichischen Museum für Industrie, dem heutigen MAK, teil. Die Präsentation bei der Weltausstellung in Paris 1900 brachte Ludwig Lobmeyr den Grand Prix für die gezeigten Tafelservice, das böhmische gravierte Kristallglas und die „Beleuchtungswaaren“ (sic!). „Mit dem Hinweise auf die erfolgreiche Durchführung von Lobmeyrs Idee, die höchste Harmonie von Glasform und Glasdecoration herzustellen und in beiden den künstlerischen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, können wir die Reihe der österreichischen Errungenschaften auf dem Gebiete der Glasindustrie mit Stolz und Befriedigung abschließen“, schrieb Julius Reich. Einen Schritt aus dem Historismus in die Moderne stellte die Teilnahme an der Internationalen Kunstgewerbeausstellung in Turin 1902 dar, initiiert vom neuen öffentlichen Gesellschafter der Firma Lobmeyr Stefan Rath. In der Vitrine, die die Glasverleger in der österreichischen Abteilung präsentierten, fanden sich neue Glaswaren im Geschmack des Art Nouveau.

Ausstellung Turin, 1902, Vitrine Lobmeyr © MAK

Ausstellung Turin, 1902, Vitrine Lobmeyr
© MAK

Rath nahm nun regelmäßig mit Produkten an den von Direktor Arthur von Scala eingeführten Winterausstellungen des k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (heute MAK) teil, Entwerfer*innen aus der Kunstgewerbeschule trugen den Jugendstil in das Sortiment der Firma. Anlässlich der Internationalen Ausstellung in Buenos Aires 1910 wurde Lobmeyr der Grand Prix verliehen. Stefan Rath intensivierte den Kontakt mit der Wiener Kunstgewerbeschule und den Fachschulen für Glasindustrie. Die Professoren der Wiener Kunstgewerbeschule aus der Architekturklasse begannen für Lobmeyr zu entwerfen. Noch entschiedener war das Statement für den von Stefan Rath 1912 mit gegründeten Österreichischen Werkbund mit der Präsentation des Lobmeyr-Saals im von Josef Hoffmann gestalteten Österreichischen Haus in der Werkbundausstellung in Köln 1914.

Glasraum der Firma Lobmeyr im Österreichischen Haus der Werkbundausstellung Köln, 1914 © MAK

Glasraum der Firma Lobmeyr im Österreichischen Haus der Werkbundausstellung Köln, 1914
© MAK

Unter den dort gezeigten Service, Vasen, Pokalen und Lustern brillierte, im von Cesar Poppovits gestalteten Raum, der große Luster aus geschliffenen Kristallsteinen nach einem Entwurf von Josef Hoffmann, der auch den Einstig in die aktuelle Lobmeyr-Ausstellung im MAK bietet. Die Kunstgläser fügten sich in das Gesamtkonzept Josef Hoffmanns ein. Erfolgreich gestalteten sich, mitten im Ersten Weltkrieg, die Teilnahmen Lobmeyrs an der Ausstellung des Österreichischen Kunst- und Exportglases im Österreichischen Museum 1915 und der Ausstellung Österreichisches Kunstgewerbe im Stockholmer Kaufhaus Nordiska kompaniet 1916.

 

Mit dem Ende des Ersten Weltkrieges befanden sich die produzierenden Glashütten plötzlich im Ausland. Erst Mitte der zwanziger Jahre konnte man an die erfolgreichen Präsentationen der Vorkriegszeit anschließen. Der österreichische Pavillon auf der Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels modernes in Paris, entworfen von Josef Hoffmann im Jahr 1925, präsentierte zum ersten Mal Glas aus Wien, unabhängig von den Nachfolgestaaten der österreichisch-ungarischen Monarchie. Lobmeyr war die einzige Firma mit einem eigenen Raum, der von Oskar Strnad als Nische mit Schaufenster in den Farben Schwarz, Weiß, Pfauenblau und Gold gestaltet wurde. Lobmeyr erhielt den Grand Prix und konnte einige der Gläser an internationale Museen verkaufen. Auch in der Werkbundausstellung 1930 im Österreichischen Museum in Wien war Lobmeyr mit Ziergläsern und Glaslustern von Oswald Haerdtl, Josef Hoffmann, Jaroslav Horjec, Michael Powolny, Otto Prutscher und Entwürfen der Inhaberfamilie von Harald und Marianne Rath stark vertreten.

 

In den 30er-Jahren präsentierte Lobmeyr Wiener Glas etwa in der Triennale 1933 (Gestaltung Oskar Strnad) in Mailand oder 1937 in der Pariser Weltausstellung (Gestaltung Oswald Haerdtl), wo man neuerlich den Grand Prix errang.

 

Mit dem Einmarsch Adolf Hitlers in Österreich 1938 wurde J. & L. Lobmeyr zum Betrieb, der für die nationalsozialistischen Machthaber zu arbeiten hatte. Stefan Rath zog sich nach Steinschönau zurück und übergab an seinen Sohn Hans-Harald Rath, der unter anderem Aufträge in Berlin mit Albert Speer ausführte. Lobmeyrglas findet sich in Ausstellungen wie Deutsche Werkkunst im Kunstgewerbemuseum, Wien noch 1943 als Erweis der nach wie vor gegebenen Möglichkeit der künstlerischen Glasproduktion im schon längst als kriegswichtig eingestuften Betrieb. Über Tirol (Wattens bei Swarovski, Kramsach, Imst, Kufstein) und dann mit einer Hütte in Salzburg hatte Hans Harald Rath in der Nachkriegszeit Lobmeyr wieder auf Vorkriegsniveau gebracht. Nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs gelang Lobmeyr mit der Präsentation im New Yorker Museum of Modern Art 1949 eine Ausstellung, die dem Wiener Glasverleger neuerlich internationale Reputation und Anerkennung verschaffte. Das MOMA kaufte aus der Ausstellung prototypische Stücke des frühen Industrial Design für die ständige Sammlung und die Schau tourte nach New York durch die wichtigsten Städte der USA. In den 1950er-Jahren konnte Lobmeyr 1957 bei der Triennale in Mailand und bei der Weltausstellung in Brüssel jeweils den Grand Prix für seine Glaspräsentationen einheimsen.  Für den Österreich Pavillon der New Yorker Weltausstellung 1964 lieferte man den großen Luster im Hauptsaal.

 

1968 übernahmen die Brüder Harald, Peter und Stefan Rath den Betrieb. Der Kunst der Glaspräsentation blieb J. & L. Lobmeyr treu. Das Stammhaus in der Kärntner Straße wurde zum 150-Jahr-Jubiläum durch das von Architekt Karl Mang gestaltete Firmenmuseum erweitert. Mit Architekt Karl Mang entstand 1973 auch der Treffpunkt L als Glasgalerie im eigenen Geschäft in der Kärntnerstrasse in Wien und man betrieb kurzzeitig einen Schauraum Lobmeyr am Kärntnerring 4 (1994). Ab 2007 beteiligte sich Lobmeyr aktiv an der Vienna Design Week. Ted Muehling Selects: Lobmeyr Glass from the Permanent Collection, im Cooper-Hewitt-Museum, New York, 2010 begründete nach der Jahrtausendwende eine ganze Reihe großer Ausstellungen, die Lobmeyr-Glas unter neuen Aspekten zeigten: etwa The Glass of the Architects. Vienna 1900–1937 (LE STANZE DEL VETRO, Venedig; MAK, Wien; Corning Museum of Glass, New York; 2016–2019).

 

In dieser sehr lebendigen Tradition der architektonisch und gestalterisch akzentuierten Glaspräsentation steht auch die vom MAK, Wien mit Gastkuratorin Alice Stori-Liechtenstein und dem Architekturbüro MARCHGUT gestaltete Jubiläumsausstellung GLANZ UND GLAMOUR. 200 Jahre Lobmeyr, die noch bis zum 24. September 2023 zu sehen ist.

Ausstellung GLANZ UND GLAMOUR. 200 Jahre Lobmeyr, MAK, 2023 © MAK

MAK Ausstellung „GLANZ UND GLAMOUR. 200 Jahre Lobmeyr“, MAK Ausstellungshalle, 2023
© MAK

Ein Beitrag von Rainald Franz, Kustode MAK Sammlung Glas und Keramik und Kurator der MAK Ausstellung GLANZ UND GLAMOUR. 200 Jahre Lobmeyr

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