Ein Musterbau für die Kunstindustrie: Glas und Ton im Haus am Stubenring

2. November 2021

Forschung & Sammlung

Der künstlerische Charakter des Baus des ursprünglichen k. k. Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, heute MAK, zeigt sich bereits in der Verwendung seiner Baumaterialien und in seinen dekorativen Details. Rainald Franz, Kustode der MAK-Sammlung Glas und Keramik, geht für die Blogserie zum Jubiläum 150 Jahre MAK-Gebäude am Stubenring der bedeutenden Rolle von Glas und Ton beim Bau des Museums auf den Grund.

„Alle, welche als Lernende diese Anstalt betreten: Die Zöglinge der Kunstgewerbeschule, die zahlreichen Handwerker und Industriellen, die das Museum besuchen, alle werden aus der Art und Weise, wie das Gebäude verständig disponirt, bis in das kleinste Detail stilvoll und in solidem Material durchgeführt ist, die Lehre entnehmen, dass so wie der gute Geschmack, auch das solide Materiale nicht gleichgiltig ist, wenn eine allseitig befriedigende Wirkung hervorgerufen werden soll.“, sagte Rudolf von Eitelberger über das neu errichtete k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie in einem Vortrag am 23. November 1871. (Gesammelte kunsthist. Schriften, Bd. II, Wien 1879, S. 173)

Fassade des MAK außen, mit Sgrafitten und Majoliaktondi © MAK/Georg Mayer

Heinrich von Ferstel, Architekt des ersten Museumsbaus an der 1865 eröffneten Ringstraße, plante das k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie im Einklang mit dem Gründungsdirektor Rudolf von Eitelberger als Musterbau für die Kunstindustrie. Mit dem Museum am Stubenring wurde ein in der Struktur moderner, in der Fassadengestaltung an klassischen Formen der Renaissance orientierter Bau geschaffen.

1866 begab sich Ferstel auf Studienreise nach Italien, wo er Anregungen für sein Projekt sammelte. Repräsentative Elemente der Renaissance wurden mit funktionalen Bauelementen der damaligen Nutzarchitektur verbunden. In der Wahl des Baumaterials kommt die Verschränkung des repräsentativen Anspruchs mit Elementen der Nutzarchitektur besonders zum Tragen.

Das an der Fassade unverputzte Mauerwerk, eine Neuheit für Repräsentationsbauten im Wien dieser Zeit, besteht großteils aus Backsteinziegeln: Hochgebrannte Ziegel aus den Ziegeleien Alois Miesbachs und Heinrich Drasche-Wartinbergs am Wienerberg. 1819 hatte Alois Miesbach, ein Unternehmer aus Mähren, neben anderen Ziegeleien auch jene am Wienerberg erworben. Seine Ziegelfabrik wurde bald zur größten auf dem Kontinent. 1855 besaß Miesbach bereits neun große Ziegeleien mit 4 700 Beschäftigten. Miesbach und sein Neffe Heinrich Drasche, der die Firma weiter ausbauen sollte, hatten durch eine spezielle Form der Ziegelproduktion in neuen Ringöfen großen Einfluss auf die Wiener Architektur der Ringstraßenepoche. Drasche unterstützte durch Schenkungen von Beginn an das neue Museum. Neben Ziegelstein und Klinker kam eine Produktionssparte dazu, die sich auf die Herstellung von Plattenverkleidungen für Außenmauern konzentrierte: die Dekorations- und Verkleidungsziegel.

Entwurf zum Sgraffito-Fries an der Fassade

Entwurf zum Sgraffito-Fries an der Fassade des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie mit Künstlermedaillons, figürlichen Darstellungen und Blattranken mit Girlanden von Ferdinand Laufberger, um 1870 © MAK

Farbige Majolikatondi mit Profilbildern von Hans Holbein und Hirschvogel an der Fassade des Museums, Ausführung Wienerberger Ziegelfabriks-Gesellschaft, Entwurf Ferdinand Laufberger, um 1870 © MAK/Georg Mayer

Das seit 1869 an der Wiener Börse gelistete Unternehmen Wienerberger setzte auf diesem Gebiet auf eigene Forschung und Entwicklung und arbeitete mit damals führenden Architekten wie beispielsweise Heinrich von Ferstel zusammen. Auch die dem Museum angegliederte Kunstgewerbeschule sollte mit dem von Franz Kosch geleiteten chemisch technischen Laboratorium durch Analyse von Keramik- und Glasurproben hilfreich zur Seite stehen. Die Produktpalette umfasste bald eine große Anzahl bauplastischer Elemente: von Formsteinen über Verblendziegel, bis hin zu unterschiedlichen Bauskulpturen. All dies wendete Ferstel am Bau des neuen Museums an. Für die Dachdeckung wurden Ziegel mit Regenplatten und Deckziegel verwendet, nach dem System antiker Dächer.

Auf den künstlerischen Charakter und die Lehrhaftigkeit des Museumsbaus verweisen die dekorativen Details der Fassade. Unter einem Gurtgesims verläuft ein das gesamte Gebäude umfassendes Friesband mit Sgraffitten und Majolikatondi. Es zeigt Porträts bedeutender Künstler, die Leistungen auf dem Gebiet der angewandten Kunst erbracht haben: „Diese Majoliken gaben Gelegenheit, das Gedächtnis von sechsundfünfzig um die ornamentale Kunst besonders verdienten Künstlern theils durch Portraitmedaillons, theils durch Inschriften zu ehren.“ (Von Albrecht Dürer bis zu Eduard van der Nüll). (Bruno Bucher, Das östereichische Museum, Wien 1873, S. 13.)

Farbige Majolikatondi mit Profilbild Michelangelo Buonarottis an der Fassade des Museums, Ausführung Wienerberger Ziegelfabriks-Gesellschaft, Entwurf Ferdinand Laufberger, um 1870 © MAK/Georg Mayer

Auch im Gebäudeinneren findet sich passender Bauschmuck in Glas und Ton. Neben den von der Glaserei Rankl ausgeführten Fenstern beschäftigte Ferstel für die Gestaltung der drei Kunstfenster über dem Treppenlauf die 1861 gegründete Tiroler Glasmalerei und Mosaikanstalt von Albert Neuhauser in Innsbruck. Für das Fenster entwarf Ferdinand Laufberger die Vorlage: einen Reichsadler. In den Mittheilungen, der Hauszeitschrift des Museums (Mittheilungen des k.k Österreichischen Museums für Kunst und Industrie, Jg. VI, 1871/74, S. 498 ff.), ist über die Hauptstiege zu lesen: „Beleuchtet ist sie von beiden Seiten, von der Halle her, wo sie offen ist, sowie durch drei Fenster, die mit gemalten Gläsern in entsprechendem Styl der Renaissance verschlossen werden; jedoch ist nur eines derselben fertig geworden.“

Entwurf für ein Glasfenster (von der Firma Albert Neuhauser) des k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie mit dem Wappen Österreich-Ungarns umgeben von Greifen, Kandelabern und floraler Rankenornamentik von Ferdinand Laufberger, um 1870 © MAK

Die Fenster wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört und durch die noch bestehenden, ein Entwurf von Isolde Joham, ersetzt. Für den Schmuck der Säulenhalle wurde bei der Keramikmanufaktur Nobile Casa Ginori-Lisci aus Doccia bei Florenz schon 1869 ein Majolikatondo erworben, eine Kopie nach einem Medaillon von Luca della Robbia an der Fassade der Kirche OrSanMichele in Florenz. Nur bezüglich der Wappenfigur weicht die Kopie , die unter den Arkaden des ersten Stockwerkes in die Wand eingelassen wurde, vom Original ab. „Dieses reizende Relief wird nicht nur die Fabrik Ginori, in seiner Art des ersten Etablissement Europas, im Museum würdig repräsentieren, sondern hoffentlich auch die österr. Thonfabrikanten anregen, Werke ähnlicher Art anzufertigen und zur Fabrikation von Thonwaren mit farbiger Glasur zu schreiten“, bemerkt die Wiener Zeitung am 14. Mai 1870. In dem an Vorbildern der italienischen Renaissance orientierten Bauschmuck von hervorragenden Firmen folgte Heinrich von Ferstel der Idee des Musterbaus, Vorbilder für die österreichische Kunstindustrie zu liefern.

Majolikamedaillon über dem ehem. Sitzungssaal des Museums, Lorenzo Ginori, Doccia, um 1869 © MAK

 

Gleichzeitig erweiterte man gezielt die Sammlung um italienische Majoliken des 16.–18. Jahrhunderts wie auch um zeitgenössische Arbeiten von Ginori aus Doccia. Der bisher unpublizierten Sammlung an Majoliken des MAK widmet sich auch eine für das Frühjahr 2022 geplante Ausstellung. Mit internationalen Leihgaben und einem umfassenden Katalog wird die weltbeste Majolika-Sammlung erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Noch 1884 sollte Jacob von Falke, Erster Kustos des Museums und Vertrauter Rudolf von Eitelbergers, anlässlich der Enthüllung des Denkmals für Heinrich von Ferstel im Österreichischen Museum für Kunst und Industrie feststellen: „Der Bau hat mehr geleistet als diejenigen zu befriedigen, welche in ihm zu arbeiten hatten. Der Weg, der mit diesem Bau betreten war, wurde von unserem Meister nicht wieder verlassen.“ (Jacob von Falke in, Heinrich Freiherr von Ferstel; Festschrift bei Gelegenheit der feierlichen Enthüllung seines Denkmals im k.k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie, Wien, 1884, Verlag des Museums, S. 11,12.)

Fenster im Stiegenaufgang des MAK, Entwurf Islode Joham © MAK/Georg Mayer

Ein Beitrag von Rainald Franz, Kustode der MAK-Sammlung Glas und Keramik

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