INCREDIBLE MAK DESIGN LAB – ÜBER URBANE OASEN, DAS SCHWEDISCHE KÖNIGSHAUS UND DAVON, GRENZEN ZU ÜBERWINDEN

14. März 2022

Insights

Auf rund 2 000 Quadratmetern Fläche zeigt das MAK DESIGN LAB einen Querschnitt durch die Designlandschaft, im Hinblick auf aktuelle Themen und Herausforderungen. Elisa Polner, Designerin und Mitarbeiterin der MAK-Sammlung Design, stellt einige ihrer Lieblingsobjekte aus dem MAK DESIGN LAB vor und gewährt damit einen persönlichen Einblick.

Neben modernem Produktdesign und historischen Objekten, ist hier auch experimentelles und spekulatives Design ausgestellt. Was dabei auffällt, ist die Vielzahl unterschiedlicher Ausdrucksformen, in der sich die Projekte präsentieren. Und viele dieser Projekte schaffen nicht nur Dinge, sondern erzählen Geschichten oder formulieren ein Konzept.

Das MAK DESIGN LAB gewährt einen Einblick in unterschiedliche Denk- und Handlungsräume, in denen sich diese kreative Disziplin mittlerweile bewegt. Schon immer erweiterten gesellschaftliche Bedürfnisse und Entwicklungen den Designbegriff. Und während sich aus der Verbindung von (Kunst)Handwerk und Industrie der Beruf des Industriedesigners entwickelte, spiegeln heute zahlreiche Designdisziplinen, wie Social-, Critical-, Material- oder Interactiondesign − um nur einige zu nennen − die Vielfältigkeit des Bereiches wider. Nicht umsonst beginnt der Rundgang durch das MAK DESIGN LAB mit dem Kapitel „Design ist Veränderung“…

Design

© MAK/Elisa Polner

Nachdem ich selbst (Produkt-)Design studiert habe, ist mir diese Entwicklung nicht fremd. Während ich mein Studium noch in der vollen Absicht begonnen habe, Produktdesignerin zu werden, hat sich dieses Ziel im Laufe der Zeit von der Gestaltung von Produkten, über Installationen bis hin zu Ausstellungen und Strategien erweitert. Aus meiner Sicht können Präsentationen wie das MAK DESIGN LAB eine Inspirationsquelle für viele Gestalter*innen sein. Die Möglichkeiten sind noch lange nicht ausgeschöpft und gerade zwischen den Disziplinen entstehen überraschende und innovative Kollaborationen. Für die drei Projekte, auf die ich hier näher eingehe, habe ich mich letztlich entschieden, weil deren Hintergründe ganze Bücher füllen.

 

Eine dieser Arbeiten ist the incredible shrinkingman (seit 2010) von Arne Hendriks. Der Künstler dokumentiert mit dem spekulativen Projekt seine jahrelange Recherche, welche Vorteile es für den Planeten hätte, wenn alle Menschen durchschnittlich 50 cm groß wären. Lebenswichtige Ressourcen wie Energie, Nahrung und Wohnfläche wären bereits heute für alle Menschen mehr als ausreichend vorhanden, da jede*r nur ungefähr 2% von dem, was wir bisher verbrauchen, benötigen würde. Dabei sind die Beispiele und Details seiner Forschung überaus faszinierend und die Lösung für nahezu alle Probleme erscheint greifbar.

So hätten beispielweise alle Menschen in den sechs größten Städten der Welt Platz zum Leben, während der Rest der bebauten Fläche recycelt und renaturiert werden könnte. Natürlich ist der Plan, die Menschheit zu schrumpfen Fantasie, aber dieses Experiment ist so konsequent gedacht und aufbereitet, dass es inspiriert. Und vielleicht muss man auch nicht gleich die ganze Welt mitdenken, sondern könnte im Kleinen beginnen.

Ein sehr konkretes Beispiel dafür ist das Projekt Oase No. 8 (2015 /16) des Architekten und Künstlers Markus Jeschaunig. Die Installation eines temporären Gewächshauses in einer Baulücke zwischen zwei Gastronomiebetrieben in der Grazer Altstadt nutzt die Abwärme zweier Tiefkühlanlagen im Innenhof, um den Anbau exotischer Pflanzen wie Bananen, Papaya oder Ananas zu ermöglichen.

Was sich hier in wenigen Sätzen zusammenfassen lässt, ist die Arbeit eines Künstlers, der sich intensiv mit diesem urbanen Potenzial beschäftigt und gekonnt einige Schnittstellen in dem Projekt vereint. Zum Beispiel die Vermittlung von Wissen über Emissionen durch den Import von Lebensmitteln und die Nutzung von Abwärme als vorhandene Energiequelle für Urban Farming. Die Gestaltung und die Namensgebung verweisen außerdem auf das Projekt OASE Nr.7 (1972) von Haus-Rucker-Co, einer österreichischen Architekten- und Künstlergruppe, die zwischen 1967 und 1992 aktiv war, und verknüpft das aktuelle Projekt mit dem utopischen Gedanken künstlicher Rückzugsorte von damals.

 

Viele der Projekte im MAK DESIGN LAB beziehen politisch Stellung zu aktuellen Themen oder reagieren auf bestimmte Ereignisse, darunter auch das Projekt mending wall (2018) des mexikanischen Designers Ramón Jiménez Cárdenas. Auf die Mauer, die die republikanische Partei an der Grenze zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten plante, reagierte der Designer mit dem Entwurf von acht verschiedenen Haken, mit denen man die Prototypen dieser Mauer und somit die Grenze überwinden hätte können. Die Prototypen wurden mittlerweile zerstört, die Haken bleiben jedoch als Erinnerungsstücke erhalten.

Sein politischer aber auch poetischer Ansatz (mending wall bezieht sich auf Titel und Inhalt eines Gedichtes des amerikanischen Dichters Robert Frost) ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass Design zunehmend auch ein Werkzeug für politische und soziale Bewegungen sein kann und aktiv in diese Prozesse integriert wird.

Ramón Jiménez Cárdenas, mending wall, 2018

Ramón Jiménez Cárdenas, mending wall, 2018
© MAK/Kristina Wissik

Aus der Kategorie unnützes Wissen
Seit ich in der Designsammlung arbeite haben sich neben den inhaltlichen und technischen Interessen auch die geschichtlichen Hintergründe einiger Objekte als durchaus unterhaltsam erwiesen.

So ist mir neulich bei der Inventur eine Zitronenpresse von Bernadotte & Bjørn Industridesign A/S in die Hände gefallen, eine dreieckige Zitronenpresse aus Kunststoff mit weißer Oberseite und hellblauem Boden aus dem Jahr 1962. So weit so gut.
Bei der Recherche landete ich neben den erwünschten Treffern zu Bernadotte & Bjørn auch immer wieder bei dem Duo Bernadotte & Kylberg, also las ich nach, aus Interesse, ob eine Verbindung besteht. Und tatsächlich, Sigvar Bernadotte (1907−2002) war ein erfolgreicher Industriedesigner, aber auch ein schwedischer Prinz, zumindest bis 1934. Er war ein Onkel des amtierenden Königs von Schweden und Großonkel des Prinzen Carl Philip von Schweden. Letzterer hat wiederum selbst Grafikdesign studiert und betreibt seit 2012 mit einem Freund und unter bürgerlichen Namen das Designstudio Bernadotte & Kylberg.

Das ließe sich jetzt vielleicht unter der Rubrik unnützes Wissen einordnen, für mich jedenfalls war es ein Exkurs in die schwedische Monarchie und die Geschichte des Designs und ich bin mir sicher, dass sich noch einige andere spannende Geschichten hinter den MAK-Sammlungsobjekten verbergen.

Bernadotte & Bjørn Industridesign A/S, Zitronenpresse

Bernadotte & Bjørn Industridesign A/S, Zitronenpresse, 1962
© MAK/Georg Mayer

Ein Beitrag von Elisa Polner, Mitarbeiterin der MAK-Sammlung Design

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