No hard feelings –Klemens Schillinger zum künstlerischen Schaffen im Corona-Jahr 2020

18. Februar 2021

Forschung & Sammlung

Der österreichische Designer Klemens Schillinger ist im MAK DESIGN LAB mit seiner Arbeit Substitute Phone (2017) vertreten. Wir haben den Designer um einen Beitrag zu seiner Arbeit für den MAK-Blog gebeten. Klemens Schillinger hat dies zum Anlass genommen, um über sein künstlerisches Schaffen im außergewöhnlichen Jahr 2020 zu erzählen.

Substitute Phones im V&A 

Das Jahr 2020 hat für mich eigentlich sehr gut begonnen. Im Februar 2020 durfte ich meine Substitute Phones im Victoria and Albert Museum (V&A) in London zeigen. Die Substitute Phones sind ein Smartphone Ersatz, mit dem man die typischen Bewegungen wie Scrollen, Zoomen und Swipen ohne digitale Funktionen durchführen kann: also eine Art Ersatzbeschäftigung bei Smartphone- Entzugserscheinungen. Die Besucher*innen konnten im V&A mit den Phones „spielen“ und ich hatte die Chance, direkt über das Projekt mit ihnen zu kommunizieren. Den gesamten Tag über schüttelte ich Hände, umarmte ein paar alte Freund*innen und führte dutzende Gespräche. In dieser Zeit sind mehrere tausend Finger über die Steinkugeln der Substitute Phones gestrichen.

Aus heutiger Sicht war diese Veranstaltung, beziehungsweise das Ausprobieren der Phones durch viele Besucher*innen, das absolute Gegenteil sämtlicher mittlerweile weltweit bekannten Hygienemaßnahmen. Die im V&A eingesetzten Modelle der Substitute Phones habe ich seither nicht mehr aus ihrer Verpackung genommen. Ich glaube, es ist für mich ein Relikt aus einer Pre-Covid Zeit. Nur knapp ein Jahr nach dem Event im V&A habe ich das Gefühl, als wäre die Veranstaltung eine halbe Ewigkeit her. In meiner Erinnerung ist es nicht 2020 sondern eine Art 2019 ein halb.

 

Mit dem Lockdown im März ging das Jahr 2020 ja eigentlich erst richtig los. Zumindest das Jahr 2020, das mir in Erinnerung bleiben wird. Am Anfang bestand der Lockdown aus ununterbrochenem Nachrichten-Schauen und Zoom-, Skype- oder Face Time-Meetings, die in Diskussionen ausarteten, ob Masken wirklich sinnvoll sind oder nicht. Danach wurde der erste Lockdown für mich eine fast besinnliche Zeit. Aus irgendeinem Grund war ich sehr entspannt, schlief wie ein Murmeltier und konnte fokussiert arbeiten, vielleicht war es eine dystopische Ruhe? Vielleicht lag es auch daran, dass ich kurz vor dem Lockdown mit Harald Bichler eine Ausstellung in seiner Galerie Rauminhalt für September geplant hatte? Es gab jedenfalls ein Licht am Ende des Tunnels. Ich dachte damals, dass diese Pandemie zwei bis drei Monate dauern wird und die Zeit sinnvoll genutzt werden kann, wie zum Beispiel zum Entrümpeln und gesünder leben. Am Ende wird Corona besiegt und wir fallen uns alle in die Arme. Das hat sich leider schnell als sehr naiv herausgestellt. Erfreulicherweise führten die europaweiten Entrümplungsaktionen und Homeoffices zu einem erhöhten Interesse an meinen Pac Tisches (2015), die sich in dieser Zeit sehr gut verkauften. Hat mich das schon zu einem Corona-Gewinner gemacht? Naja jedenfalls lies es mich weiterhin gut schlafen.

 

Als die Baumärkte wieder öffneten war ich endgültig in einem für mich erträglichen „New Normal“ angekommen. Ich habe weiterhin Tische verpackt und an den Objekten für die Ausstellung gearbeitet. In dieser Zeit wurden auch die Gänge der Bauhäuser, Hornbachs und Obis zu meinem erweiterten Studio – dies hat sich auch in den Entwürfen und in dem Titel der Ausstellung Hardware − widergespiegelt.

 

Die Ausstellung in der Galerie Rauminhalt im Rahmen der VIENNA DESIGN WEEK 2020 war für Ende September beziehungsweise Anfang Oktober geplant und je näher der Termin rückte desto höher stieg das Infektionsgeschehen. Jede Woche gab es neue Verordnungen und Kontaktbeschränkungen und ich begann etwas nervös zu werden, ob die Ausstellung tatsächlich stattfinden kann. Irgendwann war klar, dass es mit Personenbeschränkungen möglich sein wird. Anfangs störte mich diese Einschränkung, ich hätte gerne eine Eröffnung − im klassischen Sinn − mit vielen Gästen, Drinks etc. gehabt. Im Nachhinein betrachtet war es fast ein Vorteil.

Die Eröffnung fand nicht wie üblich abends sondern den ganzen Nachmittag statt und bot die Möglichkeit, den Besucher*innen die Ausstellung in kleinen Gruppen zu vermitteln. Trotz der Kontaktbeschränkung werde ich die Ausstellung in guter Erinnerung behalten. Zu meiner Freude wurden auch zwei Objekte der Ausstellung für die MAK-Sammlung angekauft, der M24 Table (2020) und der Tube Chair (2020). Beides Arbeiten, die ihren Ursprung im ersten Lockdown hatten. Also „No Hard Feelings 2020“.

 

Mittlerweile ist es Februar 2021, die Substitute Phones schlummern immer noch in ihrer Verpackung und warten so wie ich schon sehnlichst auf Ausstellungseröffnungen mit vielen Gästen, Drinks, Gesprächen und die eine oder andere Umarmung.

Ein Gastbeitrag von Klemens Schillinger

 

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