Anne-Katrin Rossberg, die neue Kustodin der MAK-Sammlung Metall und Wiener-Werkstätte-Archiv im Interview

6. Juni 2019

Insights

Die MAK-Sammlung Metall und Wiener-Werkstätte-Archiv wird seit Jänner 2019 von der promovierten Kunsthistorikerin Anne-Katrin Rossberg geleitet. Worauf sie in den nächsten Jahren ihren Fokus richten möchte und worin sie die Herausforderungen der neuen Position sieht, hat sie uns im Interview erzählt:

MAK: Sie haben im Jänner 2019 die Leitung der MAK-Sammlung Metall und Wiener-Werkstätte-Archiv übernommen, waren durch Ihre langjährige Mitarbeit im MAK aber schon davor intensiv mit der Sammlung vertraut. Gab es für Sie trotzdem Überraschungen, als Sie die neue Position angetreten haben?

Anne-Katrin Rossberg: Bisher war ich im MAK, dem ich seit 1995 verbunden bin, vor allem mit Projekten betraut, die sich einem bestimmten Thema gewidmet haben. Nach einem Praktikum in der Sammlung für Möbel- und Holzarbeiten war ich unter ihrem damaligen Leiter Christian Witt-Dörring Gastkuratorin der Ausstellung DIE ÜBERWINDUNG DER UTILITÄT. Dagobert Peche und die Wiener Werkstätte, die 1998 gezeigt wurde. Ich genoss den Luxus, fast zwei Jahre dafür zu forschen. Ebenso erging es mir später mit dem langjährigen Forschungsprojekt Ephemera über die Gebrauchsgrafik der Bibliothek und Kunstblättersammlung unter der Leitung von Kathrin Pokorny-Nagel, das 2017 in eine Publikation mündete. Die Möglichkeit, sich mit einem Thema intensiv wissenschaftlich zu befassen, ist ein echtes Privileg. Als Sammlungsleiterin sind nun unzählige weitere Aufgaben zu erfüllen, die Forschung reiht sich dazwischen ein. Es ist zwar keine Überraschung, aber eine Herausforderung, einen neuen Arbeitsmodus zu finden. Dabei ist die Position ungeheuer inspirierend!

Anne-Katrin Rossberg © T. Roeser Wiener-Werkstätte-Archiv

Anne-Katrin Rossberg © T. Roeser

MAK: Sie promovierten zum Thema „Frauenzimmer. Die Tradition des Boudoirs im 19. und 20. Jahrhundert“, waren Lehrbeauftragte an der Universität Wien bzw. an der Universität für angewandte Kunst Wien, sind Mitbegründerin und wissenschaftliche Leiterin des Anton Faistauer Forums und haben lange Zeit bei der Künstlergruppe Gelitin mitgearbeitet. Inwiefern fließt diese sehr vielfältige Vorgeschichte in Ihre Arbeit im MAK ein?

AKR: Das Gender-Thema der Dissertation hat immer wieder Niederschlag gefunden, besonders in den Lehrveranstaltungen, die ich primär im MAK abgehalten habe. Derzeit ist es in erweiterter Form wieder aktuell: Wir planen eine Ausstellung über die Künstlerinnen der Wiener Werkstätte, deren Arbeiten von den Künstlerkollegen als „Weiber-Kunstgewerbe“ abqualifiziert wurden. Hier gilt es, vieles aus der Versenkung zu holen und neu zu bewerten.

Obwohl die angewandte Kunst mein Steckenpferd ist, bin ich doch froh um die immer wieder geforderte Auseinandersetzung mit der Malerei durch das Faistauer-Forum, ebenso wie ich durch die Arbeit bei Gelitin gezwungen war, aus dem Elfenbeinturm der historischen Forschung herauszutreten. Die Begeisterung für die zeitgenössische Kunst fließt nun in die Schmuckkunst, die Teil der Sammlung Metall und Wiener-Werkstätte-Archiv ist und der ich vermehrt Aufmerksamkeit schenken möchte.

 

MAK: Das MAK verwahrt das Archiv der Wiener Werkstätte und kann damit wie kein anderes Museum die Geschichte und Bedeutung der Wiener Werkstätte belegen. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Schwerpunkte dieser Sammlung? Worauf wollen Sie Ihren Fokus richten?

AKR: Das WW-Archiv, das 1955 ins Museum kam, stellt tatsächlich ein außerordentliches Dokument einer knapp 30-jährigen Firmengeschichte dar. Es besteht aus tausenden Entwurfszeichnungen, die die Bibliothek und Kunstblättersammlung verwahrt, aus Tapetenmusterbüchern, Stoff-Andrucken und Farbproben, die die Textilsammlung betreut, sowie aus der WW-Gebrauchsgrafik (die berühmten Postkarten), den Reinzeichnungen verschiedenster Entwürfe, den Modellbüchern, Fotobänden, Karteikarten, Korrespondenzen, Sitzungsprotokollen etc., die unter meiner Obhut stehen. All diese Dokumente wurden unter meiner Vorgängerin Elisabeth Schmuttermeier aufgearbeitet und digitalisiert. Für eine verbesserte (Online-)Nutzung ist es nun notwendig, die Informationen zu vertiefen und zu verknüpfen, um die Strukturen und Arbeitsprozesse der WW verständlich zu machen.

 

MAK: Wie schon der Name sagt, besteht ein Großteil der Objekte der MAK-Sammlung Metall aus dem Material Metall. Worin liegen die Herausforderungen im Umgang mit diesen Arbeiten?

AKR: In meiner vormaligen Funktion als Depotverwalterin der Sammlung war ich immer froh, nicht in der Glas- und Keramiksammlung tätig zu sein, sondern mit dem robusten Metall zu tun zu haben. Aber auch dieses Material ist empfindlich, Fingerabdrücke fressen sich oft hartnäckig in die Oberfläche. Die Restauratorinnen und Restauratoren sehen die Reinigung der Objekte nicht gerne, da immer ein Teil der Original-Beschichtung verloren geht. Aber die Präsentation der Exponate verlangt natürlich einen ansehnlichen Zustand.

Was niemand weiß: Die Sammlung beherbergt auch Objekte aus organischen Materialien wie Leder, Horn oder Elfenbein. Gemeinsam mit dem WW-Archiv, das durch die „Flachware“ den Werkstoff Papier repräsentiert, ist das Spektrum der Sammlung, die ich mit meinen Mitarbeiterinnen Luise Jesch und Lara Steinhäußer betreue, ein besonders weites.

MAK: In der MAK-Sammlung Online wurden die Sammlungsbestände des Hauses digital erfasst, die Stammdaten vereinheitlicht und eine zentrale Bilddatenbank aufgebaut. Wie hat sich durch diese Digitalisierungsschritte der Umgang mit historischem Kulturgut verändert?

AKR: Die Gefahr ist, dass man nur noch Datensätze und Abbildungen anschaut und nicht mehr das Werk selbst. Keine noch so große Auflösung am Bildschirm kann die Betrachtung des Originals ersetzen. Daher ist es mir ein Anliegen, etwa in Spezialführungen Objekte auch außerhalb der Vitrine zu zeigen. Sowohl für die Forschung als auch für die Öffentlichkeit ist die Digitalisierung von unschätzbarem Wert, keine Frage, aber sie animiert hoffentlich auch immer wieder zum Gang ins Depot oder zum Besuch der Museen.

Das Interview führte Veronika Träger, MAK-Presse und Öffentlichkeitsarbeit

Kommentare

  • Brigitte Grosse sagt:

    Sehr geehrte Frau Dr. Rossberg,
    Vor ca. 10 Tagen habe ich Ihnen eine E-Mail bezüglich der Emailklasse von Prof. Josef Hoffmann geschickt, im weiteren Sinn handelt es sich dabei um Metall, des veredelt wurde.
    Ich ersuche Sie, mit mir Kontakt aufzunehmen bzw. mir mitzuteilen, ob Sie Interesse an den Exponaten aus der Zeit der 30er Jahre an der Kunstgewerbeschule haben.
    Mit freundlichen Grüßen
    Mag. Brigitte Grosse

    • Veronika Träger sagt:

      Liebe Brigitte Grosse,
      wir haben Ihre Nachricht an Anne-Katrin Rossberg weitergeleitet.
      Liebe Grüße,
      Veronika Träger
      MAK-Presse und Öffentlichkeitsarbeit

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