Schrein der tausend Kostbarkeiten: ein Modell des Pavillons von Josef Hoffmann für die Weltausstellung in Paris 1925

26. November 2021

Insights

In der Ausstellung JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit, die ab 15. Dezember im MAK zu sehen ist, wird ein maßstabsgetreues Modell von Josef Hoffmanns berühmtem Österreichischem Pavillon für die Exposition Internationale des Arts Decoratifs in Paris (1925) realisiert. Rainald Franz, Kustode der MAK-Sammlung Glas und Keramik und Co-Kurator der Ausstellung, beschreibt für den MAK-Blog die Hintergründe des Ausstellungsobjekts, das Besucher*innen zum Schauen und Lustwandeln einlädt.

Historisches Foto des Baumodells für den Österreichischen Pavillon nach Entwurf Josef Hoffmanns für die Exposition Internationale des Arts Decoratifs, Paris, 1925
© MAK

Bei den Recherchen zur großen Josef Hoffmann-Retrospektive stieß das Kuratoren-Team (Rainald Franz, Matthias Boeckl, Christian Witt-Dörring) auf Pläne und Fotografien, die neue Details zu dem für Hoffmanns Karriere in der Zwischenkriegszeit stilprägenden Pavillon zutage brachten. Das für die Ausstellung von Rainald Franz gemeinsam mit studiotut (Marie Nemeth, Silvia Stocker) und dem Spezialisten für Formbau und Keramik Hermann Seiser neu realisierte Architekturmodell lässt den ephemeren Bau als Idee und Raum für die Betrachter*innen wieder erlebbar werden.

Architekturmodelle sind neben der Planzeichnung das zentrale Medium zur Darstellung von Gebäuden und Räumen in der neuzeitlichen Architektur seit der Renaissance. So auch im Falle von Josef Hoffmann, der seine wichtigsten Bauten, wie das Palais Stoclet in Brüssel oder die Villa Skywa-Primavesi in Wien, durch Arbeitsmodelle vorbereitete. Sie dienten auch den Bauherrn als Anschauungsmaterial vor der eigentlichen Ausführung und wurden häufig ausgestellt. Heute dokumentieren leider nur noch historische Fotos ihre einstige Existenz.

Josef Hoffmann, Kammer der Papeterien am Ende des Vitrinenraumes im Österreichischen Pavillon der Pariser Kunstgewerbeausstellung, 1925
© MAK

Das trifft auch auf das publizierte, heute aber verlorene Modell des Österreichischen Pavillons für die Weltausstellung in Paris zu. Umso wichtiger war die Entscheidung, den zahlreichen, seit den 1980er-Jahren entstandenen, aus Holz gefertigten Modellen zu Hoffmann-Bauten, ein weiteres zu diesem Schlüsselbau aus neuem Material hinzuzufügen.

Mit dem Auftrag, einen Österreich-Pavillon für die Exposition Internationale des Arts Décoratifs et Industriels Modernes zu entwerfen, kehrte Josef Hoffmann zu einer ihm sehr geläufigen Bauaufgabe zurück: der Gestaltung von Repräsentationsbauten für Nationen und Institutionen, denen er angehörte. Dabei war die Pariser Ausstellung ursprünglich als „Parallelaktion“ zur Kölner Werkbundausstellung (1914) geplant. Dafür hatte Hoffmann sein Österreichisches Haus konzipiert, der Ausbruch des 1. Weltkrieges verhinderte aber die Präsentation. Im Neuen Wiener Journal vom 6. Juli 1924 berichtete Josef Hoffmann über „Die kommende Weltausstellung in Paris“. Am Ende seiner Ausführungen schrieb er: „Der österreichische Pavillon, der ein Gebiet von zirka vierhundert Quadratmeter umfassen wird und einen der günstigst gelegenen Plätze der Ausstellung für seinen Bau erhalten hat, den ich die Ehre habe, zu erbauen, wird hoffentlich der Clou der Ausstellung werden. Was an uns Künstlern liegt, diesen Wunsch zu verwirklichen, wird sicherlich geschehen. Hoffentlich unterstützen uns die heimischen Kreise, die am Werke mitarbeiten müssen, in unserem Wollen. Wir brauchen den Welterfolg und wir müssen ihn erringen!“

Josef Hoffmann, um 1925
© MAK

In bewährter Weise vereinigte der „Kultur- und Ausstellungsmanager“ Hoffmann in seiner architektonischen Hülle oft ganz widerstrebende Positionen aus der aktuellen österreichischen Architektur und Kunst: etwa den jungen Friedrich Kiesler neben Oskar Strnad oder Peter Behrens neben Josef Frank, Expressionismus neben Neuer Sachlichkeit. Hoffmanns Entwurf für den Österreichischen Pavillon reagierte auf die beengten Platzverhältnisse am Seineufer. Er entwickelte eine dreißig Meter lange und zwanzig Meter breite Terrasse, die an zwei Stellen die Kaimauern durchbrach und auf schlanken Betonstützen in den Fluss hinausragte. Dies vergrößerte das verfügbare Flächenmaß auf 1 230 Quadratmeter, von denen 974 Quadratmeter verbaut werden sollten. Im Gegensatz zu den ebenfalls von ihm für die Internationale Ausstellung Christlicher Kunst in Rom (1911) und für die Kölner Werkbundausstellung geplanten Pavillons verzichtete Josef Hoffmann auf die Betonung der Vertikalen und auf Axialsymmetrie als Gestaltungselemente. Stattdessen strukturierte er die Baublöcke mit einer horizontal verlaufenden Profilierung, einer „gekippten Kannelur“ und schuf so die für die Außenwirkung des Pavillons entscheidende Wandgestaltung.

Josef Hoffmann, Vorzeichnung für die Fassade des Österreichischen Pavillons, Paris 1925
© MAK/Georg Mayer

Der Aufbau der Fassade war, dem Zweck entsprechend, ephemer: „[…] ein Lattenwerk mit dünnen Wänden aus Hölzern, Gips und Verputz“, wie es der Architekt Leopold Bauer in seiner Besprechung der Ausstellung beschrieb. Und zur Fassade merkte Bauer an: „Es war ein einfacher, schlichter Quadernbau (sic!), nur waren diese Quadern modern frisiert.“

Aufgrund des hier beschriebenen ephemeren Aufbaus fiel bei der Entscheidung über das Material zur Ausführung des Modells die Wahl auf Gips. Nur mit diesem Material, das man wie Verputz ziehen und formen kann, war es möglich, einen dem Originalbau nahekommenden Eindruck der Oberflächen zu realisieren. Der Grundriss des zweiteiligen Pavillons, auf dem Kai und auf der Terrasse über der Seine, ermöglichte einen 76 Meter langen Rundgang durch die wie auf einer Kette mäandrierend aneinander gereihten zwölf Räume in der Ausstellung. Eine offene Passage als Durchgang für die am Kai promenierenden Besucher*innen erschloss den Zugang zu den landseitigen und den auf der Terrasse angeordneten Teilen des Gebäudes.

Josef Hoffmann, Plan du Pavillon National de L’Autriche, Paris 1925, Ausführungsplan, Schnitte Belvedere, Wien
© Belvedere

Die einzelnen Raumkompartimente waren innen durch Galerien verbunden und außen durch Gartenhöfe getrennt. Der Trakt am Seine-Kai wurde als Baukörper mit zwei unterschiedlichen Höhen, durch ein großes satteldachartiges Oberlicht, durch eine Apsis und ein großes Auslagenfenster gegliedert. Beide waren Teil des sogenannten „Vitrinenraums“ für Objekte der Wiener Werkstätte und des Österreichischen Werkbundes. Als Dekoration fanden sich in den rosa Verputz eingelassen in Zementrelief die Namen von Männern, die zum kulturellen Ruhm Österreichs beigetragen haben, wie Schubert, Beethoven und Mozart. Jeder Name wurde von einem passenden Symbol begleitet: Mozart von einer Sphinx, Schubert von einer Panflöte, etc.

Der Terrassentrakt des Pavillons bestand aus unterschiedlichen Baukörpern: niedrigen Galerien, dem zweiten Teil der von Hoffmann geplanten Anlage, dem Orgelturm nach Entwurf Oskar Strnads, dem Café Viennois von Josef Frank und dem expressionistischen Glashaus von Peter Behrens. Dem Architekten und Organisator Josef Hoffmann war es in Paris 1925 wiederum gelungen, einen Ausstellungspavillon ästhetisch aufzuladen und mit seiner Gestaltungsarbeit für die junge Erste Republik ein kulturnahes Bild Österreichs zu zeichnen, das sich medienwirksam transportieren ließ.

Eine erstmals erfolgte wissenschaftliche Zusammenführung der seit 1924 entstandenen Vorentwürfe Josef Hoffmanns ermöglichte die Realisierung der maßstabsgetreuen Detailbaupläne für das Modell des Pavillons. Die Grund- und Aufrisse stammen aus den Wiener Archiven und weitere Pläne aus dem Canadian Center of Architecture in Montreal. Zielführend war auch eine eingehende Plananalyse und schließliche Identifizierung der ausgeführten Pläne aus dem Nachlass Hans Ankwicz-Kleehovens im Belvedere Research Center.

Josef Hoffmann, Vorentwurf für den Grundriss und die Fassadenabwicklung des Österreichischen Pavillons der Pariser Kunstgewerbe – Ausstellung, 1925
© Canadien Centre for Architecture, Montreal

Für das Modell wurde der Maßstab 1:20 gewählt, um den Bau optimal abbilden zu können. Das umfassend im MAK vorhandene historische Fotomaterial ermöglichte gemeinsam mit den Plänen die Identifizierung von Details des Baus, die die Realisierung der für das Modell nötigen Grund- und Aufrisse, Fassadenschnitte und Wandabwicklungen möglich werden ließen. Die Ergebnisse flossen in den Beitrag zur Errichtung des Pavillons im Katalog zur Ausstellung ein.

Bei der Realisierung des Modells in Gips durch Hermann Seiser mit seinem Team waren kreative Lösungen für Detailformen gefragt. So wurden etwa die Nachbildungen der erhabenen Dekorationen auf dem Verputz des Originalbaus in Zementrelief am Modell mittels eigens geschnittenen Stempeln nachgebildet.

Detailarbeit im Atelier Hermann Seiser am Gesamtmodell des Pavillons nach Entwurf Josef Hoffmanns aus 1925, 2020
© Rainald Franz

Die Präsentation des Modells des Pariser Pavillons in der Ausstellung JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit schließt eine Lücke in der Dokumentation des Werks von Josef Hoffmann. Das Modell und die für den Modellbau benötigten Pläne sind in das Eigentum des MAK übergegangen und stehen somit der Öffentlichkeit zur Verfügung.

Ein Beitrag von Rainald Franz, Kustode der MAK-Sammlung Glas und Keramik

Die Ausstellung JOSEF HOFFMANN. Fortschritt durch Schönheit ist von 15. Dezember 2021 bis 19. Juni 2022 in der MAK-Ausstellungshalle zu sehen.

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