Nikolaus Dumbas Prunkkassette: ein außergewöhnliches Restaurierungsprojekt

31. März 2020

Objekte im Fokus

Die aufwändigen Arbeiten und Recherchen rund um die Konservierung und Restaurierung des Kunstwerks öffneten auch neue Sichtweisen auf eine herausragende Persönlichkeit in ihrem historischen Umfeld. Restauratorin Maria Holzleitner schildert am MAK BLOG den Arbeitsprozess:

„[…] (einer), der alle jene Charaktereigenschaften in sich vereine, welche dem echten Wiener innewohnen: Liebe zu seiner Vaterstadt und zur Kunst, Förderung aller idealen Bestrebungen und humanitärer Sinn.“1

Dies ist nur eine der zahllosen Anerkennungen, die Nikolaus Dumba (1830–1900), Kunstmäzen, Industrieller und Politiker mit einem unerschöpflichen Engagement für die Kunst und KünstlerInnen in Wien und Niederösterreich, noch zu Lebzeiten ausgesprochen wurden. Nach vielen weiteren Ehrungen, Orden und Danksagungen wurde er 1890, anlässlich seines 60. Geburtstags, mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien ausgezeichnet. Sie wurde ihm in Form einer prunkvoll gestalteten Kassette überreicht, die sich in ihrem Aufbau und ihrer Pracht von den üblichen Ehrenbürgerschaftsadressen der Zeit unterschied. Nach seinem Tod im Jahr 1900 übergaben Dumbas Erben das außergewöhnliche Objekt an das k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie, heute MAK. Im Frühjahr 2019 kam die Prunkkassette als Diplomprojekt an das Institut für Konservierung und Restaurierung der Universität für angewandte Kunst, wo es umfassend untersucht und in der Folge konserviert und restauriert wurde.

Prunkkassette

Außensicht der Prunkkassette
© Maria Holzleitner / Universität für angewandte Kunst Wien

Was steckt hinter der Prunkkassette?

Die Arbeiten an einem derartigen Werk gehen weit über die am Objekt selbst ausgeführten Maßnahmen hinaus. Unerlässlich ist auch die Auseinandersetzung mit dem historischen Kontext. Im Falle der Prunkkassette bedeutete das ein Eintauchen in die Kunstszene, das Handwerk und die Politik der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Aufarbeitung von historischen Quellen, wie etwa Zeitungsberichte, Journale, Dumbas Testament und Mitschriften politischer Sitzungen machte bald den hohen Stellenwert Dumbas zu seiner Zeit klar. Er nutzte seine finanziellen Möglichkeiten und seinen politischen Einfluss im niederösterreichischen Landtag und der damaligen liberalen Partei Wiens, um die Neuschaffung und Bewahrung von Kunst voranzutreiben. Außerdem war er in nahezu allen Baugremien der Denkmäler seiner Zeit tätig und Unterstützer und Ehrenmitglied verschiedenster Museen und Kunstinstitutionen. Vielen vielversprechenden Künstlern, wie etwa Mackert und Klimt, ermöglichte er Studienreisen und Aufträge. Auch zum MAK hatte er als Unterstützer und Kurator eine besondere Verbindung. Sein Engagement brachte ihm noch zu Lebzeiten Spitznamen wie „Österreichs Apollo“ sowie Karikaturen ein. Noch heute gilt Dumba als eine der bedeutendsten und einflussreichsten Persönlichkeiten der Kunstszene Wiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Monogrammentwurf für Nikolaus Dumba

Monogrammentwurf für Nikolaus Dumba von Anton Groner, Wien um 1885
© MAK

Was macht die Prunkkassette so besonders?

Ehrendokumente wie Nikolaus Dumbas Prunkkassette und Ehrenbürgerschaftsurkunde wurden im 19. Jahrhundert üblicherweise in Form von Büchern angefertigt, deren Einbände oft durch ornamentale Beschläge und Emailleappliken verziert waren. Dumbas Ehrung weist dagegen einen gänzlich anderen Aufbau auf. Die Grundform bildet ein rechteckiger, mit Leder bespannter Holzkorpus, eingerahmt von vergoldeten Messingornamenten und dem in einer Kapsel eingeschlossenen Wachssiegel der Stadt Wien. Die Vorderseite der Kassette zeigt prunkvolle Verzierungen aus Silber, vergoldetem Kupfer und Emaille in aufwendigen ornamentalen Formen. Um das Innere der Kassette freizugeben müssen erst die V-förmige „Mundklappe“ und zwei Seitenklappen geöffnet werden. Im Inneren befinden sich statt dem üblichen bemalten Papierblatt fest mit der Kassette verbaute Pergamentmalereien.

 

Die Erschließung der Herstellungstechniken des Objekts war vor allem bei den Metallpartien auf der Außenseite eine besondere Herausforderung. Mit der Herstellungszeit um 1890 geht auch die Industrialisierung einher und damit handwerkliche Neuerungen, deren Spuren an fertigen Werken oft nicht einwandfrei gedeutet werden können. Auch diese Änderungen der Handwerksprozesse spiegeln sich in der Kassette wider: An ihr finden sich sowohl eindeutige Spuren von meisterhafter Handarbeit, wie aufwändige Emailletechniken, als auch Anzeichen für maschinell unterstützte, serielle Prozesse, wie das In-Form-Pressen von Metall.

Was waren die Probleme an der Prunkkassette?

Beim Eintreffen der Prunkkassette am Institut für Konservierung und Restaurierung wies die Oberfläche Verschmutzungen sowie Rückstände vergangener Reinigungen auf. Das Leder am Holzkorpus war fragil, löste sich stellenweise vom Untergrund und zeigte schon bei leichtem Kontakt einen deutlichen Farbabrieb. Dazu kamen strukturelle und mechanische Schäden, wie Brüche im Emaille und den vergoldeten Messingornamenten, sowie starke Korrosionserscheinungen auf der Silberoberfläche. Nicht zuletzt fehlten auch einige Elemente, was einen massiven Schaden an der Prunkkassette bedeutete. Teile der Kassette waren damit für immer unwiederbringlich. Das Fehlen dieser Elemente beeinflusste auch drastisch den streng symmetrischen Aufbau der Kassette und ihrer Ornamentik.

 

Ziel der Konservierung und Restaurierung sollte vor allem die Sicherung des Objekts sein, also Maßnahmen, um weitere Schäden zu verhindern. Die geeignete Vorgangsweise wurde gewissenhaft diskutiert, da die Kombination so unterschiedlicher Materialien wie Leder und Silber in direkter Nachbarschaft eine enorme Herausforderung darstellt. Ihre Bedürfnisse und Empfindlichkeiten sind sehr unterschiedlich, daher wurde die Wahl an Methoden stark eingegrenzt. Dazu kamen auch ethische Fragestellungen, vor allem hinsichtlich der Anfertigung von Ergänzungen und der Reduzierung der Silberkorrosion.

Das Fehlen von Elementen könnte dem potenziellen Betrachter einen Teil der Objektgeschichte erschließen. Andererseits wäre dem Betrachter vielleicht die Ästhetik des Objekts ohne Ergänzungen nicht mehr zugänglich. Das Silber war so stark von Korrosion betroffen, dass es nicht mehr einwandfrei als Silber erkennbar war – und damit auch nicht der Wert, den es der Kassette verleiht. Andererseits bedeutet eine Abnahme von Silberkorrosion, zum Beispiel durch Polieren, immer einen gewissen Materialabtrag. Dieser sollte immer gewissenhaft abgewogen werden, vor allem da Silber auch irgendwann wieder anlaufen wird.

Die große Herausforderung bei Fragen dieser Art und auch eine der größten für meine Diplomarbeit ist, dass es meist keine „richtige“ Antwort gibt. Es ist eher ein delikates Abwägen verschiedenster Einflüsse, Werte, Risiken und aktueller Fachmeinungen, um den bestmöglichen Weg für das Objekt zu wählen, was oft auch Kompromisse mit sich bringt.

Was wurde tatsächlich an der Prunkkassette durchgeführt?

Nach eingehender Analyse ethischer Guidelines, aktueller Papers und Fachliteratur wurden erst mit Pinsel und Staubsauger sowie Polyurethan-Schwämmchen alle Verunreinigungen an der Oberfläche entfernt. Anschließend wurde die Korrosion des Silbers reduziert. Brüche und gefährdete Stellen wurden mit lang haltbaren und wieder gut entfernbaren Klebemitteln gesichert. Außerdem wurden Ergänzungen für die fehlenden Elemente angefertigt. Aufgrund der Symmetrie der Prunkkassette war für jedes fehlende Element noch ein intaktes, identes Gegenstück erhalten. So konnten die Originale entweder abgeformt oder abgemessen und die Ergänzungen in den gleichen Materialien wie die Originale nachgearbeitet werden. Lediglich das Emaille wurde bei den Ergänzungen durch leichter anwendbares, gefärbtes Epoxidharz ersetzt. Alle Ergänzungen wurden außerdem rückseitig mit einer Jahrespunze und meinen Initialen klar als Ergänzungen gekennzeichnet. Zuletzt wurde noch eine geeignete Aufbewahrung für die Lagerung angefertigt, die wiederkehrende Schäden, wie das Anlaufen des Silbers, verlangsamen soll.

 

Im Februar 2020 ging die Prunkkassette und Wiener Ehrenbürgerschaftsurkunde Nikolaus Dumbas wieder zurück ans MAK, wo sie ab Anfang März bis zur temporären Schließung des MAK aufgrund der Corona-Krise in der MAK GALERIE gezeigt wurde.

Die Prunkkassette nach vollendeter Konservierung

Die Prunkkassette nach vollendeter Konservierung und Restaurierung
© Maria Holzleitner / Universität für angewandte Kunst Wien

1 Österreichische Nationalbibliothek, ANNO Historische österreichische Zeitungen und Zeitschriften, Neues Wiener Tagblatt vom 26. Juli 1890, S.3

Ein Beitrag von Restauratorin Maria Holzleitner

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