13. April 2023
Sammlungspflege im MAK
Die Objekte der MAK Sammlung umfassen eine große Bandbreite an Materialien, Verarbeitungsmethoden und Techniken. Die Herausforderungen, die dadurch an die Pflege und Erhaltung des Bestandes gestellt werden, sind vielfältig und nicht selten außergewöhnlich. Judith Huemer, Mitarbeiterin der MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten gibt anhand des Hundepelzhockers (2008) von Micha Brendel einen Einblick in die außergewöhnliche und anspruchsvolle Sammlungspflege.
Seit 1863 werden im MAK diverse Objekte von kunst- und kulturhistorischer Bedeutung, entsprechend dem gesetzlichen Auftrag, gesammelt und bewahrt. Die Sammlungsbereiche und Abteilungen spiegeln die Vielfalt der Materialien und Kunstwerke wider: Es sind Keramiken, Gläser, Papierarbeiten, Textilien, Metallobjekte und Möbel darunter, aber auch zeitgenössische Werkstoffe, experimentelle Kunststoffe und sogar tierische Präparate vertreten. Diese über Jahrzehnte und hoffentlich Jahrhunderte in möglichst unverändertem Zustand aufzubewahren ist eine der herausfordernden Aufgaben, denen sich Museumsmitarbeiter*innen täglich stellen.
Um den Erhalt der Kunstobjekte sicherzustellen, müssen sie ordentlich gelagert, regelmäßig gereinigt und gelegentlich auch restauriert werden. Dabei wird versucht, die Objekte vor Licht zu schützen, um Farbveränderungen und Ausbleichen vorzubeugen, was der hauptsächliche Grund für die oft schummrig beleuchteten Ausstellungsräume der Museen ist. Ein weiterer essenzieller Faktor sind die klimatischen Bedingungen wie Temperatur und Luftfeuchte, die bei plötzlichen, großen Schwankungen Formveränderungen mit sich bringen kann. Eine nicht zu unterschätzende Rolle bei der Schadensprävention von beweglichen Denkmälern spielt auch die Hygiene. Da Staub auf den Objekten zu problematischen Bindungseffekten führt, wird er mit der Zeit immer schwerer zu entfernen, was langfristig zu Schäden und Verfall führt.
Die Fachrichtung präventive Konservierung gibt für diese Erhaltungsfaktoren zeitgemäße Standards vor, dabei werden nach wissenschaftlichen Methoden die klimatischen Bedingungen untersucht und dokumentiert, und auch das sogenannte Integrated Pest Management organisiert, also die Abwehr von diversen Schädlingen, wie Kleidermotten, Nagekäfer oder dem berüchtigten Museumskäfer.
Die Sammlungspflege findet meist im Verborgenen statt, zum Teil tief unter den historischen Gebäuden in Speichern oder auch in Außendepots. Hier soll ein kleiner Einblick in die Arbeit hinter die Kulissen gewährt werden.
Sammlungspflege ein integraler Bestandteil der alltäglichen Museumsarbeit. Dies betrifft nicht nur jahrhundertealte Kunstgegenstände, auch zeitgenössische Objekte brauchen, trotz ihres geringen Alters, ab und zu eine kleine Auffrischung und Pflege. Das soll hier anhand eines eher ungewöhnlichen Hockers veranschaulicht werden.
Die Geschichte des Hundepelzhockers
Das Objekt, um das es geht, wurde vom gleichnamigen Gemälde des Malers Christian Ludwig Attersee inspiriert, das – in warmen Rot- und Orangetönen gehalten – einen Hocker zeigt, dessen Sitzfläche mit Hundefell bespannt ist; der mitverarbeitete Kopf des Hundes starrt aus dem Bild heraus ins Leere. Christian Ludwig Attersee, Hundepelzhocker, 1968 (erschienen in: Parnass, 13.3.2019)
Attersee hat sein imaginiertes Möbelstück an den Flokati-Hockern der 1950er und 60er Jahre orientiert, was vor allem an den typischen, gebogenen Haarnadelbeinen aus Messing und dem voluminösen Überzug erkennbar ist, der an die namensgebende langflorige (Schafs-)Wolle erinnert.
Auf die Intentionen hinter dem Werk angesprochen, kommentierte Attersee: „Wir hatten in meiner Familie einen kleinen Hund der Rasse Foxterrier, sein Name war Höbiböb; er ist gerne auf meinem Schoß gesessen und es ist leicht verständlich, dass ich auch gerne einmal auf ihm gesessen wäre.“ (Zit. nach: Zoe Henzler, Hundepelzhocker. Makabres Designobjekt oder politischer Kunstgegenstand?, Kunstgeschichtl. Hausarbeit (unpubl.), TU Dortmund 2022, S. 18.)
Der Kustode der MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten, Sebastian Hackenschmidt hat den Hocker für die Ausstellung Möbel als Trophäe in Auftrag gegeben, die 2009 im MAK gezeigt wurde. Neben diversen Exponaten aus tierischen Materialien und zahlreichen Geweihmöbeln erzielte das provokante Objekt einen geradezu „surrealistischen Effekt“. (aus: Zoe Henzler, Hundepelzhocker. Makabres Designobjekt oder politischer Kunstgegenstand?, Kunstgeschichtl. Hausarbeit (unpubl.), TU Dortmund 2022, S. 2.)
Die Umsetzung der künstlerischen Idee Attersees als dreidimensionales Objekt war und ist mit diversen Herausforderungen verbunden. Übernommen hat dieses Projekt der 1959 in Weida (Thüringen) geborene, vielseitige deutsche Künstler Micha Brendel, dessen Arbeiten diverse Ausdrucksformen und Techniken, von Performance, über Fotografie bis zu Textmalerei umspannen. Das Arbeiten mit organischen Materialien ist in seinen Werken kein Novum; Knochen, Innereien und Blut sind nur einige der immer wieder kehrenden Bestandteile seiner Installationen, die dadurch nicht selten äußerst makaber anmuten.
Micha Brendel hat in Zusammenarbeit mit einem Tierpräparator das taxidermisch behandelte Fell eines Yorkshire-Terriers inklusive Kopf und Schwanz auf einen formgebenden Gipsschädel gezogen und über die hölzerne Sitzfläche eines alten Flokati-Hockers gespannt.
Das MAK als Hundefrisiersalon
Die museale Arbeit im MAK begann mit der Inventarisierung und Dokumentation des Objekts. Bei der Aufbewahrung des Hockers ist aufgrund der materiellen Beschaffenheit besonders auf Schädlingsbefälle zu achten, wofür tierische Präparate sehr anfällig sind. Damit das Fell nicht verstaubt, wird der Hocker außerdem mit leichtem Seidenpapier abgedeckt.
Seit Mai 2019 ist das Objekt im MAK Design Lab ausgestellt; es wird dort in einer Vitrine gezeigt, die den Hocker vor Staub und dem Zugriff neugieriger Museumsbesucher*innen schützt. Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen hat der Hocker im Laufe der Jahre sein Aussehen leicht verändert: Das ursprünglich fluffig drapierte Fell ist in sich zusammengesunken und die Ohren haben sich am Kopf angelegt, was den Terrier etwas bissig wirken ließ.
Um dem Hocker sein ursprüngliches Aussehen zurückzugeben, mussten also Eingriffe am Objekt vorgenommen werden. Restauratorische Maßnahmen werden, soweit als möglich, in enger Abstimmung und nach Rücksprache mit den Künstler*innen eines Werkes vorgenommen. Im Idealfall sogar vom Künstler selbst, wie es glücklicher Weise bei unserem Hocker der Fall war. Micha Brendel war im Februar im Zuge eines Österreich-Aufenthaltes im MAK zu Gast. Der Kustode der MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten, Sebastian Hackenschmidt, nutzte die Gunst der Stunde, um ein Auffrisieren des Hundefells anzuregen. Die Kolleg*innen der Restaurierungsabteilung und der Möbelsammlung haben daraufhin die entsprechenden Werkzeuge bereitgelegt, die für die Bearbeitung des Objekts benötigt wurden: Diverse Bürsten und Pinsel und ein Staubsauger mit besonderem Filtersystem und Gebläsefunktion wurden auf einem „Frisierwagen“ bereitgestellt. Von der Verwendung eines regulären Haarföhns wurde aufgrund der Hitzeentwicklung abgesehen, auch auf chemische Hilfsmittel, wie Schaumfestiger oder Haarspray wurde selbstverständlich verzichtet – auch wenn der Gedanke daran für ein gewisses Amusement in der Kollegenschaft gesorgt hat.
Bestens ausstaffiert hat sich der Künstler Brendel darangemacht, seinem Werk neues Volumen zu verleihen. Der Hocker wurde aus der Vitrine entnommen und – ausnahmsweise während der Besuchszeiten – kurzerhand direkt im Ausstellungsraum bearbeitet.
Der neu aufgeföhnte Hundepelzhocker kann noch bis Mai 2024 im MAK Design Lab begutachtet werden. Bis 31.4. ist im Museum Francisco Carolinum in Linz noch die Personale leibsaftig mit Werken von Micha Brendel aus den Jahren 1982 bis 2022 zu sehen.
Ein Beitrag von Judith Huemer, Mitarbeiterin der MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten