Schloss Holíč und seine Fayence- und Steinzeugmanufaktur

16. März 2021

Outside MAK

Nur 120 km nordöstlich von Wien liegt in der Slowakei Schloss Holíč (deutsch auch Holitsch oder Weißkirchen). In den letzten 120 Jahren geriet es in Vergessenheit und verfiel zusehends, obwohl es in der österreichischen Geschichte eine bedeutende Rolle gespielt hatte. Für den MAK-Blog stellt Michael Macek das Schloss und insbesondere die frühere Fayence- und Steinzeugmanufaktur vor.

Entstanden aus einer Burg des 13. Jahrhunderts gehörte Schloss Holíč seit 1489 dem Adelsgeschlecht der Czobors. Diese ließen das Schloss als stark befestigte Verteidigungsanlage auf einer Insel in der March ausbauen. Es lag strategisch günstig an der Grenze des Königreiches Ungarn zu Mähren und sollte die osmanischen Heerscharen, die bereits die Umgebung verwüstet hatten, auf ihrem Weg nach Wien stoppen. Erdwälle und Teile der Befestigungen sind bis heute erhalten geblieben.

Schloss Holíč auf einer Marchinsel gelegen, gut sichtbar die Fortifikation © Mesto Holíč

Schloss Holíč auf einer Marchinsel gelegen, gut sichtbar die Fortifikation
© Mesto Holíč

Als die Türkengefahr mit dem Entsatz von Wien 1683 durch den polnischen König Jan III. Sobieski und der Befreiung Budapests 1686 gebannt war, konnte die Schlossanlage vergrößert und in ein barockes Lustschloss umgewandelt werden.

Der letzte Eigentümer aus der Familie der Czobors im 18. Jahrhundert war Graf Joseph Czobor: der größte Hasardeur, Spieler und Verschwender seiner Zeit ließ das Schloss Holíč auf das Prachtvollste ausbauen. Seine Prunksucht ging so weit, dass er aufgrund einer Wette sein Galakleid mit einem echten Ölgemälde von Antonio da Correggio füttern ließ. So verwundert auch nicht, dass Joseph Czobor bei Claudius Innocentius Du Paquier, dem Gründer der ersten österreichischen Porzellanmanufaktur im Jahr 1718, ein Porzellankabinett für sein Schloss Holíč in Auftrag gab. Porzellan war gerade in der Frühzeit den Herrschern vorbehalten und wurde mit Gold aufgewogen. Dieses Porzellankabinett ist jenes Zimmer, das heute im MAK als Dubsky-Zimmer (benannt nach seinen letzten Eigentümern, dem mährischen Adelsgeschlecht der Dubsky-Trembomyslic, die das Zimmer im Erbsweg um 1827 in ihren Besitz erhielten) ausgestellt wird.

Dubsky-Zimmer © MAK/Georg Mayer

Dubsky-Zimmer
© MAK/Georg Mayer

Sein Lebensstil stürzte Joseph Czobor in hohe Schulden und letztendlich blieb ihm nichts anderes übrig, als sein Schloss und seine Ländereien peu à peu von 1736 bis 1749 zu veräußern.

Hier trat Franz Stephan von Lothringen, Gemahl von Erzherzogin Maria Theresia auf den Plan. Als Vertreter von Kaiser Karl VI. in Pozsony (Bratislava) suchte er schon länger nach einem repräsentativen Landsitz und erkannte das Potential von Schloss Holíč und dessen Ländereien. Das Anwesen sollte der Grundstock für seinen eigenen Reichtum und gleichzeitig für den „Privat- und Familienfond“ des Hauses Habsburg werden. Bis zum Ende der Monarchie 1918 erhielten alle Erzherzöge daraus ihre Apanage. Franz Stephan konnte den Landsitz auch sehr preiswert erwerben.

 

Das Schloss war bei der Übergabe bis auf jenen Raum, in dem sich das Porzellankabinett befunden hatte, vollständig eingerichtet. Aus der Konkursmasse hatte die Mutter von Joseph Czobor, eine geborene Prinzessin Liechtenstein, ebendieses Zimmer herausgekauft. Dennoch baute Franz Stephan das Schloss um, da eine Schlosskapelle fehlte. Außerdem waren zu wenige Räume vorhanden, um die gesamte kaiserliche Familie samt Entourage (bis zu 400 Personen) unterzubringen. Das Schloss wurde aufgestockt und im Aufgangsbereich zum Hochparterre ein kleines Schlosstheater eingerichtet. Die Gärten und umliegenden Felder wurden in einen riesigen barocken Park mit Grotten und anderen Einbauten umgewandelt. Im Vorderbereich des Schlosses wurden Gebäude adaptiert und neu gebaut.

Die von Franz Stephan erbaute Schlosskapelle mit der Nische für das Altarbild, der gesamte Raum war mit Putti aus der schlosseigenen Fayencemanufaktur geschmückt © Michael Macek

Die von Franz Stephan erbaute Schlosskapelle mit der Nische für das Altarbild, der gesamte Raum war mit Putti aus der schlosseigenen Fayencemanufaktur geschmückt
© Michael Macek

Franz Stephan plante diverse Musterbetriebe in seinem Lieblingsschloss und den umgebenden Anlagen unterzubringen: eine Baumwollspinnerei, die größte Merino-Schafzucht Europas, einen Zuchtbetrieb für Rinder, ein Vollblutgestüt, eine Fasanenzucht, Obstplantagen und sein Lieblingsprojekt – eine Fayencenmanufaktur.

Das Gebäude der ehemaligen Fayencemanufaktur in Schloss Holíč © Mesto Holíč

Das Gebäude der ehemaligen Fayencemanufaktur in Schloss Holíč
© Mesto Holíč

Das genaue Gründungsjahr der Fayencemanufaktur ist nicht nachweisbar, mit Sicherheit hat sie aber bereits im Jahr 1743 existiert, da in diesem Jahr der Wiener Schatzmeister Charles Toussaint als Aufsichtsorgan genannt wird.

Erste Beschäftigte kamen ebenso aus Lothringen, weiters gab es einen Töpfer namens Jan Kolacek sowie zwei Glasur-Hersteller, Andreas und Johann Penkert aus Veľké Leváre (sie waren Habaner). Ab 1744 lassen sich dann bereits Maler und Musterentwerfer nachweisen, wobei der Name Anton Preißler in der Personalliste hervorsticht. Dieser Künstler wurde durch seine Glasbemalungen in Schwarzlot-Technik bekannt (u.a. ist ein Glas von ihm in der Kunstkammer des Kunsthistorischen Museums ausgestellt). Der ebenso aus Lothringen stammende Dominique Cuny wurde von der Durlacher Fayencemanufaktur abgeworben und übernahm um 1746/47 die Leitung der Fayencemanufaktur Holíč.

Von besonderer Bedeutung dabei ist die Weitsicht Franz Stephan von Lothringens, nicht nur Entwerfer, Maler und Modelleure aus seiner Heimat Lothringen zu beschäftigen, sondern ausländische Meister aus den verschiedensten Regionen Europas zu engagieren und auch die ortsansässigen Habaner zu integrieren. Nur so erreichte seine Manufaktur jene Bandbreite an französischen, italienischen und deutschen Formen (u.a. nach Vorbildern der Porzellanmanufakturen Meissen und Wien) und Verzierungen, die ihre Vielfalt und Charakteristik ausmachen sollte.

Die Fayencenmanufaktur Holíč hatte ihren Höhepunkt zwischen 1750 und 1780. In dieser Zeit stellte sie hauptsächlich Gebrauchs- und Essgeschirr her und verstand sich als „billige“ Konkurrenz zu teurem, erst seit knapp 40 Jahren bekanntem, europäischen Porzellan.

 

Um einerseits Rohstoffe leichter antransportieren zu können, andererseits besonders Wien als Absatzmarkt zu erschließen, wurden bereits im Jahr 1746 fünf Poststationen auf dem Weg nach Wien eingerichtet, das so in knapp acht Stunden erreichbar war. Von besonderem Interesse sind auch die Holíčer Fayenceplastiken, oftmals in Lebensgröße modellierte Tiere und Gemüse.

Terrine in Form eines Wildschweinkopfes, Holíč um 1750-1765 © MAK/Georg Mayer

Terrine in Form eines Wildschweinkopfes, Holíč um 1750-1765
© MAK/Georg Mayer

Ab 1786/87 wandte sich die Holíčer Manufaktur vermehrt dem Steinzeug zu: Steinzeug galt aufgrund seines besonderen Rohstoffes und des hohen Energieeinsatzes ebenso als Luxusgut.

Platte aus Steinzeug, Holíč um 1810 © MAK/Georg Mayer

Platte aus Steinzeug, Holíč um 1810
© MAK/Georg Mayer

Kaum bekannt ist, dass die Holitscher Manufaktur im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts auch Versuche unternahm, Porzellan herzustellen, gleichsam als Konkurrenz zur Kaiserlichen Porzellanmanufaktur in Wien. Diese Versuche kamen aber über Probestücke nicht hinaus. Die einzigen Porzellanstücke, die in höherer Anzahl Holíč verließen, waren porzellanene Pfeifenköpfe − 40.000 in den Jahren 1809 bis 1811. Danach ist keine weitere Porzellanerzeugung nachweisbar. Die Fayenceproduktion war gegen Ende des 18. Jahrhunderts gänzlich eingestellt worden. In Holíč wurde dann bis zur Schließung der Manufaktur im Jahr 1827 nur noch Steinzeug hergestellt, wobei die Bemalung des Steinzeugs bereits im Jahr 1818 beendet wurde.

Ein Beitrag von Michael Macek, Porzellansammler, Mitarbeiter der MAK-Sammlung Glas und Keramik und freiberuflicher Kulturmanager

Kommentare

  • Ulrich Linnemann sagt:

    Schade nur, dass dem Autor des ansonsten gelungenen Beitrages der Unterschied zwischen Steingut und Steinzeug nicht geläufig ist.

    • Dr. Michael Macek sagt:

      Sehr geehrter Herr Linnemann,
      ich bedaure Ihren Kommentar zu meinem Artikel, aber ich darf Ihnen versichern, dass ich sehr gut zwischen Steingut und Steinzeug unterscheiden kann und die Holicer Manufaktur ab etwa 1786 eben STEINZEUG produziert hat und nicht Steingut. Steinzeug gehört neben Porzellan zur Klasse Sinterzeug. Beiden Erzeugnissen ist gemeinsam, dass als Ausgangsmaterial spezielle Tonerden mit hoher Reinheit und hohem Aluminiumoxidanteil verwendet werden. Aufgrund nahezu fehlender Eisenoxidanteile bleibt Porzellan auch nach dem Brand weiß und bei dünnem Scherben durchscheinend, wogegen Steinzeug gelblich bzw. ockerfarben wird und keine Durchscheinfähigkeit hat. Im Unterschied zu Steingut bedarf es bei der Produktion von Steinzeug eines viel höheren Energieaufwandes.
      Mit freundlichen Grüßen
      Dr. Michael Macek

  • Danke, dass es immer wieder so fundierte Beiträge zu Porzellan- und Fayencethemen gibt!

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