1. August 2024
Judith Schwarz-Jungmann
1. August 2024
Judith Schwarz-Jungmann
Janina Falkner, Leiterin der MAK Abteilung Vermittlung und Outreach, schraubt die Teilnehmer*innenzahlen am Vermittlungsprogramm hoch. Mit uns sprach sie über neue Formate, den Austausch mit Kunstschaffenden, Vermittlung als Bildungsauftrag, und kleine Spezialist*innen bei den jüngsten Teilnehmer*innen.
MAK
Liebe Janina, Du hast die Teilnehmer*innenzahl der Vermittlungsbesucher*innen im Jahr 2023 um 75 Prozent gesteigert und gerade vor kurzem gab es wieder eine schöne Würdigung eurer Arbeit: Der von der MAK Vermittlung mit der Schule KunstModeDesign Herbstrasse entwickelte Anti Fast Fashion Workshop wurde mit dem Nachhaltigkeitspreis Austrian SDG Award ausgezeichnet. Wie machst Du das?
Janina Falkner
In erster Linie mache ich das nicht allein, sondern mit einem tollen Team, das sich mit Begeisterung für unsere Inhalte und Freude, diese unseren Besucher*innen zu vermitteln, besonders einsetzt. Ganz grundsätzlich haben wir in den letzten Jahren versucht, aus der Themenvielfalt des MAK heraus eine große Bandbreite an Perspektiven und unterschiedlichen Formaten anzubieten, womit wir auch mehr Menschen ansprechen können.
Der SDG Award für den Anti Fast Fashion Workshop, den wir seit September 2023 im MAK Schulprogramm anbieten, ist tatsächlich eine schöne Würdigung für unsere Vermittlungsarbeit mit Schulklassen – sicherlich eine Priorität in unserem Team.
Wir haben eine ausgesprochen gelungene Kooperation mit den Wiener Bildungschancen gestartet und können dadurch Schüler*innen erreichen, die vorher selten ins MAK kamen, neue Mittelschulen und Volksschulen auch aus weit entfernten Bezirken. Das ist ein sehr schöne Vermittlungs- und Arbeitserfahrung.
MAK
Warum braucht es das Programm Wiener Bildungschancen. Ist daraus zu lesen, dass üblicherweise eher AHS Kinder Programme in Museen wahrnehmen?
Janina Falkner
Es gibt im Museum natürlich finanzielle Barrieren. Eintritte für Schüler*innen sind grundsätzlich kostenlos, allerdings müssen wir die Kosten für Führungen und Workshops decken. Das können sich tatsächlich eher Schulgruppen mit einem ökonomisch stärkeren Background leisten. Mit den Bildungschancen hat die Stadt Wien eine bemerkenswerte Bildungsinitiative gestartet, und wir sind stolz ein Partner davon zu sein. Die Stadt Wien finanziert Volksschul-, Mittelschul- und Sonderschulklassen Workshops und Führungsangebote. Prinzipiell sind Kooperationen sehr wichtig, dass wir also – wie in diesem Fall mit der Stadt Wien – an einem Strang ziehen, um gerechten Zugang zu kreativer Bildung zu ermöglichen.
MAK
Wer sind denn eigentlich die vielen Vermittlungsteilnehmer*innen im MAK. Es waren fast 18.000 im Jahr 2023. Wie teilt sich das auf?
Janina Falkner
Ein großer Anteil, rund die Hälfte, sind Schüler*innen. Ganz generell haben wir aber einen erfreulichen Zuwachs bei jüngeren Interessierten, also bei Student*innen und jüngeren Erwachsenen. Dazu beigetragen hat auch, dass wir zwei verschiedene Formate bei Workshops anbieten – Open Formate, die allen offenstehen, und Workshops, wie beispielsweise die MAK-its, wo gemeinsam mit Künstler*innen und Designer*innen gearbeitet werden kann. Damit ist es uns gelungen, unsere Zielgruppen zu erweitern.
MAK
Das klingt wahnsinnig komplex, und nach sehr viel Neuem. Du hast die klassischen Formate zwar behalten, aber doch auch auf den Kopf gestellt. Und es gibt ganz neue Formate, wie die Diskursreihe Conversation Pieces, die an Sammlungsobjekte anknüpft, oder auch eine Young Science Community. Woher beziehst Du Deine Ideen?
Janina Falkner
Wir stehen in intensivem Austausch mit Kreativschaffenden. Bei den MAK-it!-Workshops konnten unsere Teilnehmer*innen schon mit vielen zeitgenössischen Künstler*innen zusammenarbeiten, etwa mit Michele Pagel, Celia Pym, Birke Gorm, Thomas Hörl, Theresa Hattinger, mischer’traxler studio, Paula Strunden oder Marion Bataille und Fanny Millard. Das ist im MAK wohl tatsächlich sehr speziell, dass wir Formate oft in engem Austausch mit Künstler*innen und Designer*innen entwickeln.
MAK
Aber Du fragst sie an, wenn Du schon eine Idee hast.
Janina Falkner
Allen voran ist die Themenvielfalt im MAK eine unerschöpfliche Inspirationsquelle. Vermittlungsarbeit ist per se eine sehr kreative Arbeit. Es bereitet mir Freude, Ideen im Austausch mit Kreativschaffenden wachsen zu lassen. Auch im Vermittlungsteam selbst arbeiten Künstler*innen und Kolleg*innen, die einen Design- oder Architekturbackground haben. Das hat schon meine Vorgängerin Gabriele Fabiankowitsch eingeführt und das halte ich für sehr wichtig.
MAK
Das heißt es gibt nicht die eine Institution, wo Du Dich hin und wieder schlau machst…
Janina Falkner
Das MAK hat eine Sonderstellung, auch im Hinblick auf seine sehr aktive Rolle als Museum. Wir zeigen nicht nur Kunst, Design und Architektur, das MAK ist auch ein Ort, wo vieles entsteht, das spiegelt sich auch in der Vermittlung. Vieles entwickelt sich im Dialog und im Austausch mit – vor allem – Künstler*innen, Designer*innen oder auch Aktivist*innen.
MAK
Wie wichtig ist denn in Deinem Mix noch die gute alte klassische Führung?
Janina Falkner
Sehr wichtig. Ähnlich wie in einem Workshop ist in der Führung zudem auch Austausch möglich, der über Wissensvermittlung hinaus geht. Diese dialogische Qualität der Führung darf man auf keinen Fall unterschätzen. Das ist der wesentliche Unterschied beispielsweise zu einem Audioguide.
MAK
Stichwort digitale Vermittlung: In der Covid-Pandemie habt ihr enorm nachgerüstet, man denke an die Nachdenkereien über Sammlungsobjekte, eingesprochen von Schauspieler*innen, oder die MAK Lab App. Wie werden diese Angebote genutzt?
Janina Falkner
Wir haben jetzt den Vorteil, dass mehr Menschen diese Angebote kennen. Die MAK Lab App schicken wir oft Lehrer*innen als Vorbereitung für das MAK Design LAB. Der Audioguide, der kostenlos zur Verfügung steht und von überall abrufbar ist, wird immer mehr angenommen. Wir produzieren nahezu zu jeder großen Ausstellung einen Audioguide und wir sehen: Je mehr Angebot es gibt desto mehr wird es angenommen.
MAK
Wie bereitet ihr Euch auf all Eure Programmpunkte vor? Ihr müsst Euch die Inhalte auch aneignen.
Janina Falkner
Ehrlich gesagt frage ich mich manchmal selbst, wie wir das eigentlich schaffen. Das Team ist kompetent und engagiert und wir versuchen natürlich auch individuelle Schwerpunkte zu setzen. Wir müssen immer einspringen können, beispielsweise wenn ein Guide ausfällt. Eine Ausstellung gar nicht führen zu können ist ein No Go.
MAK
Du hast die Abteilung im Februar 2022 übernommen und seit damals heißt sie Vermittlung und Outreach. Was bedeutet das eigentlich genau?
Janina Falkner
Outreach heißt, dass wir Zielgruppen erreichen, die wir vorher nicht erreichen konnten und wir danach streben das Museum für mehr Menschen zu öffnen. Wir legen ein Augenmerk darauf, Barrieren abzubauen, das Museum inklusiver zu gestalten und Wege zu finden, unsere Nicht-Besucher*innen anzusprechen. Das beinhaltet viele neue Angebote.
MAK
Welche neuen Formate sprichst Du hier an?
Janina Falkner
Wir erarbeiten derzeit ein spezielles Angebot für Menschen mit Sehschwäche, und wir werden ein regelmäßiges Programm in Gebärdensprache anbieten. Generell arbeiten daran verständlich und mit Leichtigkeit zu kommunizieren, ohne unterkomplex zu werden. Wichtig ist auch die Frage, wie wir auch kulturell diverser werden können.
MAK
Im letzten Jahr war im MAK auch die queere Community stark vertreten.
Janina Falkner
Das ist eine festive und aufregende Community, mit der wir schrille Formate veranstalten durften. Wir haben beispielsweise einen Make-up-Workshop mit der Dragqueen Pandora Nox, Führungen mit Dragqueen Catrice Liberty und Lesungen aus queerer Kinderliteratur für Kindergärten und Volksschulen umgesetzt. Da kam befreiende und lebensfrohe Stimmung auf.
MAK
Nochmals zum Thema Outreach: Du bietest mit den Conversation Pieces und mit MAK-it! sehr klar Formate für Erwachsene an, das gab es bisher so nicht.
Janina Falkner
Diskurs ist natürlich nicht neu. Aber dass wir in den Conversation Pieces, wo wir eine brisante Sichtweise auf ein Thema anhand eines konkreten Sammlungsobjekts aufwerfen, und auch im Workshop-Format MAK-it! den direkten und intensiven Austausch mit Künstler*innen und Designer*innen ermöglichen, das ist in dieser Regelmäßigkeit und Intensität tatsächlich ein Novum.
MAK
Bildet sich hier so etwas wie eine Community, oder sind das immer andere Menschen?
Janina Falkner
Tatsächlich entsteht so etwas wie eine „creative community“. Es kommen immer wieder neue Menschen, aber wir erfreuen uns auch einiger Stammgäste, eine davon ist auch im Jahresbericht vertreten: Brigitte Haiden, sie ist unsere treueste Besucherin. Ich denke, wenn man einmal da war, dann kommt man gerne auch noch einmal.
MAK
Wie ist das bei den ganz Kleinen, ihr habt ja auch entzückende Kinderformate?
Janina Falkner
Bei den Kindern haben wir einige Spezialist*innen, die sich schon recht genau auskennen und ziemlich konkrete Ansprüche an uns stellen. Da finden sich durchaus kleine Profis, die uns auch gerne Nachhilfe geben. Die kreative Arbeit mit Kindern macht richtig Spaß.
MAK
Ihr bekommt auch einen neuen Raum. Darf man das schon sagen?
Janina Falkner
Wir haben den neuen Raum ja schon angekündigt. Wir freuen uns schon sehr darauf, wenn es im Herbst so weit ist. Derzeit wird er noch adaptiert. Die Besonderheit ist, dass der neue Workshop- und Veranstaltungsraum im Herzen des MAK liegt. Dass wir in so einem prunkvollen Raum an der Ringstraße, im Zentrum des Museums, mit unseren Besucher*innen arbeiten können, ist eine Wertschätzung gegenüber allen unseren Vermittlungsteilnehmer*innen. Auch das Vermittlungsbüro ist vor zwei Jahren ins Zentrum des MAK gewandert, so zentral wie jetzt waren wir noch nie.
MAK
Was siehst Du als nächste Herausforderung?
Janina Falkner
Ich denke die große Herausforderung für alle Museen ist der Schritt, zunehmend weg von der reinen Objektpräsentation und verstärkt zu einem offenen Ort der aktiven und kreativen demokratischen Teilhabe zu werden. Hier wird Vermittlung nicht nur im MAK, sondern wohl in allen Museen, eine immer wichtigere Rolle einnehmen.
MAK
Wo lernt man gute Vermittlung? Wurde Dir das in die Wiege gelegt?
Janina Falkner
Ich habe tatsächlich keine Ausbildung in Vermittlung. Ich habe Kunstgeschichte studiert, vorher den ersten Abschnitt Medizin, später habe ich auch das Psychotherapie-Propädeutikum gemacht. Ich bin also eine interdisziplinäre Mischung. Ich mag soziale wie auch kreative und intellektuelle Arbeit. Ich habe besondere Freude am Dialog mit Kindern, Schüler*innen und am Austausch mit jungen Erwachsenen. Freude zu kommunizieren gehört jedenfalls dazu.
MAK
Wie darf man sich denn Deine*n Lieblings-Vermittlungsbesucher*in vorstellen?
Janina Falkner
Ich arbeite sehr gerne mit den ganz kleinen Gästen und mit jungen Erwachsenen. Ich mag es sehr mit Teenagern zu diskutieren. Speziell in der Ausstellung Protest Architektur fand ich es richtig spannend, über Aktivismus zu sprechen, oder über unterschiedlichste Meinungen etwa auch zu Protestmethoden!
MAK
Was ist – überspitzt gefragt – die große Vision von Vermittlung im neuen Jahrtausend?
Janina Falkner
Ich denke Vermittlung beinhaltet auch die Aufgabe, Lust an Gestaltung, Mut zum kreativen Denken und Möglichkeiten der Teilhabe zu schaffen. Mit Vermittlung wollen wir den Bildungsauftrag von Museen ernst nehmen. Und Bildung ist ein Hebel, um Gesellschaft mitzugestalten. Das MAK bietet Raum und soll Lust darauf machen, Gestaltungsmöglichkeiten in unserem gemeinschaftlichen Leben zu ergreifen. Das hat im erweiterten Sinn auch etwas mit demokratischen Prozessen zu tun.
Liebe Janina, danke für das Gespräch.
Das Interview mit Janina Falkner, Leiterin MAK Vermittlung und Outreach, führte Judith Schwarz-Jungmann, Leiterin MAK Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Zum umfangreichen MAK Vermittlungsangebot geht es hier MAK.at/vermittlung