9. Mai 2025
Dominik Poppel
9. Mai 2025
Dominik Poppel
Diese Frage stellten sich Schüler*innen des Tageskollegs für Interior Design und Surfacedesign der HTL Spengergasse angesichts der MAK Ausstellung PECHE POP. Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart. Nach intensiver Beschäftigung mit dem Künstler und der Ausstellungsgestaltung entstanden Poster, die Dominik Poppel, fachlicher Leiter des Designschwerpunktes an der HTL Spengergasse, in diesem MAK Blog vorstellt. Die Kuratorinnen der Ausstellung – MAK Kustodin Anne-Katrin Rossberg und Architektin Claudia Cavallar, die auch die Gestaltung verantwortete – haben dieses Projekt mit großer Begeisterung unterstützt.
Schüler*innen des Tageskollegs für Interior Design und Surfacedesign der HTL Spengergasse, 2025
© HTL Spengergasse/Michaela Rentsch
„Dagobert Peche? Wer soll das denn sein? Wie spricht man den Namen überhaupt aus? Pesch? Pe-chee? Hab ich aber irgendwo schon mal gehört, ganz sicher!“
So oder so ähnlich fallen Reaktionen aus, wenn man vermeintlich kreative und kulturell interessierte Menschen erstmals mit der MAK Ausstellung PECHE POP. Dagobert Peche und seine Spuren in der Gegenwart konfrontiert. „Wiener Werkstätte, klar, kenne ich, aber Dagobert Peche? Hm… klingt irgendwie nach Märchenfigur oder vergessenem Operettenheld.“
Diese erste Verwirrung ist durchaus berechtigt. Denn obwohl Dagobert Peche (1887–1923) zweifellos zu den schillerndsten Persönlichkeiten der Wiener Werkstätte zählt, ist sein Name außerhalb fachlicher Kreise kaum geläufig. Das ist schade – und gleichzeitig Grund genug, dieses „Enfant terrible der Wiener Werkstätte“, wie es in kunsthistorischen Kreisen gerne heißt, mal genauer unter die Lupe zu nehmen. Wer war dieser Mann, dessen Arbeiten gleichermaßen verspielt, radikal und stilbildend sind? Und vor allem: Warum begegnet man seinen ästhetischen Spuren überall – ohne es zu merken?
Die Antworten darauf finden wir im MAK. Und das nicht irgendwie, sondern mit einer Inszenierung, die selbst unter den anspruchsvollen MAK Ausstellungen heraussticht. So zumindest lautet das einstimmige Resümee des Tageskollegs für Interior Design und Surfacedesign der HTL Spengergasse, das sich im Rahmen des Unterrichtsfachs Designtheorie intensiv mit der Ausstellung auseinandergesetzt hat.
Plakat von Elena Bosch
© HTL Spengergasse
Plakat von Amelie Chahrour
© HTL Spengergasse
Plakat von Chiara Dillinger
© HTL Spengergasse
Die zweijährige Ausbildung am Kolleg bietet eine fundierte Basis in sämtlichen Bereichen des Interior Designs – von Retail über Hotellerie bis hin zur Ausstellungsgestaltung. Letztere wird oft unterschätzt, obwohl sie eines der spannendsten Anwendungsfelder für räumliche Gestaltung ist. Denn hier geht es nicht nur darum, Räume zu füllen, sondern Geschichten zu erzählen – über Objekte, über Menschen, über Zeitgeist.
Also machte sich die Klasse auf, um einer ganz zentralen, fast schon philosophischen Frage nachzugehen: „Who the f**k is Dagobert P.?“ Und noch wichtiger: Was macht eine Ausstellung wie PECHE POP so außergewöhnlich? Warum bleibt sie im Gedächtnis? Was ist es, das die Besucher*innen so fesselt – ohne dass sie es in Worte fassen können?
Plakat von Rubí Gutiérrez
© HTL Spengergasse
Plakat von Stefanie Hellweger
© HTL Spengergasse
Plakat von Paulina Hrdlicka
© HTL Spengergasse
Interior Designer*innen sind Expert*innen darin, Atmosphäre zu erzeugen. Sie jonglieren mit Licht, Materialien, Farben und Formen, um Emotionen zu wecken – nicht nur um Räume „schön“ zu machen. In der Ausstellung über Dagobert Peche zeigt sich das auf eindrucksvolle Weise: durchdachte Beleuchtung, geschickt eingesetzte Kontraste, überraschende Perspektivwechsel und eine visuelle Sprache, die sowohl Referenzen an die Wiener Moderne als auch popkulturelle Anspielungen zulässt. Besonders bemerkenswert ist der bewusste Einsatz einfacher, beinahe rudimentärer Materialien wie Spanplatten, 3-Schicht-Platten, Stoffe oder Noppenbeläge.
Was auf den ersten Blick schlicht wirken mag, entfaltet durch gezielte formale Gestaltung eine ungeahnte Ausdruckskraft. Die Materialien werden nicht versteckt oder beschönigt, sondern in ihrer puren Rohheit eingesetzt und dadurch in einen gestalterischen Kontext gehoben, der mit Erwartungshaltungen spielt. Die Farbgebung orientiert sich nicht an klassischen Ausstellungscodes, sondern nutzt pointierte Akzente und ungewöhnliche Kombinationen, um sowohl Orientierung als auch Irritation zu schaffen. So entsteht ein Spannungsfeld zwischen Materialität und Bedeutung, zwischen Form und Narration – Claudia Cavallar at her best!
Plakat von Anna Janetschek
© HTL Spengergasse
Plakat von Letizia Nuschej
© HTL Spengergasse
Plakat von Anna Maria Pfisterer
© HTL Spengergasse
Besonders spannend ist das Spiel mit der Frage: Ist das jetzt ein Dagobert Peche oder vielleicht doch ein Werk von Ettore Sottsass? Die Ähnlichkeiten sind verblüffend – und genau das ist Teil des Konzepts. Die Ausstellung flirtet mit unseren Erwartungen, verwirrt, provoziert und bringt uns dazu, genauer hinzusehen. Auch Christof Nardin, Creative Director und Founder von Bueronardin hat mit der grafischen Gestaltung der Ausstellung maßgeblich dazu beigetragen, den Rahmen zu schaffen, den es braucht, um sich nicht zu verlieren.
Trotz der Fülle an Exponaten wirkt die Ausstellung niemals überladen. Im Gegenteil: Sie versteht es, Raum zu geben, wo Raum gebraucht wird. Den Auftakt der Ausstellung beschreibt eine Kollegschülerin so: „Mir ist vor allem aufgefallen, wie viel mit dem Raum gearbeitet wurde. Direkt beim Eingang gab’s diesen großen Bogen mit dem gelben Blitz — das hat mich total gecatcht.“ Durchdachte Blickbeziehungen, geschickt gesetzte Nischen, Rückzugsorte, Vorsprünge und sogar versteckte Räume laden zum Verweilen und Entdecken ein.
Und genau dort – in einem dieser bewusst abseits gelegener Räume – stößt man auf ein unerwartetes Element der Ausstellung: Ein Kurzfilm der international bekannten Künstlergruppe Gelitin. Wer den Raum entdeckt, betritt eine Art künstlerische Parallelwelt, die sich deutlich vom restlichen Ausstellungsgeschehen abhebt. Dass dieser Film nicht zentral platziert, sondern eher versteckt ist, wirkt dabei keineswegs zufällig: Er fordert Auseinandersetzung, Entscheidung – und gegebenenfalls auch Abstand. Gerade dadurch wirft er interessante Fragen auf, nicht nur über die Grenzen des Zeigbaren in der Kunst, sondern auch darüber, wie sehr Ausstellungsgestaltung mit Raum, Wahrnehmung und Schutzmechanismen arbeitet.
Plakat von Paula Rohde
© HTL Spengergasse
Plakat von Sara Schwarz
© HTL Spengergasse
Plakat von Mia Stekl
© HTL Spengergasse
Im Rahmen der Ausstellung war es die Aufgabe der Schüler*innen, sich ein Exponat aus dem Werk Dagobert Peches herauszupicken. Dieses sollte nicht nur analysiert, sondern im Zusammenhang mit der Ausstellungsgestaltung betrachtet werden: Wie ist die Lichtführung? Welche Farben und Materialien wurden verwendet, um das Objekt hervorzuheben? Auf welchem Podest steht es? Und wie fügt sich all das in den gesamten narrativen Bogen der Ausstellung ein?
Die Ergebnisse sind genauso vielfältig wie die Persönlichkeiten, die sie gestaltet haben. Herausgekommen sind Poster im Hochformat, die nicht nur mit fundierter Analyse, sondern vor allem mit individueller Handschrift glänzen. Hier wird sichtbar, wie vielschichtig das Thema Ausstellungsgestaltung ist – und wie präzise die angehenden Interior Designer*innen bereits mit Raum, Wirkung und Wahrnehmung umgehen können.
Plakat von Verena Bauer
© HTL Spengergasse
Plakat von Anna Wittmann
© HTL Spengergasse
Plakat von Lena Wohlmuther
© HTL Spengergasse
Besonders beeindruckend: In allen Arbeiten wird deutlich, dass Gestaltung nie Selbstzweck ist, sondern immer in einen größeren Zusammenhang eingebettet sein sollte. Die Ausstellung PECHE POP ist damit nicht nur eine Hommage an einen oft übersehenen Künstler, sondern auch ein Lernfeld und Experimentierraum für die nächste Generation an Gestalter*innen. Eine Ausstellung, die inspiriert, irritiert und Lust macht auf mehr.
Das Fazit der Kollegschüler*innen auf die Fragestellung „Who the f**k is Dagobert P.?“ fällt hier einhellig positiv aus:
„Ich kannte ihn vorher gar nicht. Aber ich finde, es ist gut, dass ich ihn jetzt im Kopf habe.“
„Ich persönlich mag diese leichte Form der Anonymität, die er hat.“
„Es ist sympathisch, dass man mit wenig so viel erreichen kann, wenn man einfach beginnt, anders zu denken, Dinge anders zu formen und Farben neu zu nutzen. Natürlich wird das anfangs oft abgelehnt, aber im Nachhinein merkt man, wie sehr es andere beeinflusst. Und ich will mir das auf jeden Fall für mich persönlich mitnehmen.“
Ein Beitrag von Arch. Dipl.-Ing. (FH) Dominik Poppel BEd, Fachkoordination Abteilungsschwerpunkt Interior- und Surfacedesign, Designabteilung, HTL Spengergasse