„Österreich in Paris“ – 100 Jahre Kunstgewerbeausstellung 1925

29. Dezember 2025

NOW, Outside MAK

Anne-Katrin Rossberg

Entrez s’il vous plait! Anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der berühmten Pariser Exposition internationale des Arts décoratifs et industriels modernes, aus der die Stilbezeichnung Art Déco entstehen sollte, widmet sich MAK Kustodin Anne-Katrin Rossberg dem österreichischen Beitrag zu dieser Ausstellung. Das Land präsentierte sich im Grand Palais, in den Galeries des Invalides und in einem eigenen, von Josef Hoffmann entworfenen, Pavillon an der Seine.

Ausstellungskatalog, L’ Autriche à Paris 1925. Das Cover zeigt ein Stoffmuster von Dagobert Peche. © MAK

Ausstellungskatalog, L’ Autriche à Paris 1925. Das Cover zeigt ein Stoffmuster von Dagobert Peche. © MAK

Josef Hoffmann, Österreichischer Pavillon, Ansicht des Eingangsbereiches, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Josef Hoffmann, Österreichischer Pavillon, Ansicht des Eingangsbereiches, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Als Österreichs Repräsentationsbau konzipierte Hoffmann einen „Schrein der tausend Kostbarkeiten“, mit dessen Architektur sich MAK Kustode Rainald Franz in einem eigenen Blog-Beitrag beschäftigt hat. Die Anlage war ein Konglomerat aus verschiedenen Bauteilen, äußerlich zusammengefasst durch eine profilierte beige-rosa Fassade. Hoffmann verwendete gerne die geschwungene Klammer als kannelurenartiges Gestaltungselement und formte damit auch seine kunstgewerblichen Gegenstände: Vasen oder Dosen.

Zur Bewältigung der Bauaufgabe in recht kurzer Zeit, aber auch der Tradition des Gesamtkunstwerks folgend, beteiligte Hoffmann vier weitere Kollegen an dem Projekt. „Man kann sich kaum schärfere Gegensätze denken“, so der Kunsthistoriker Max Eisler in seiner Ausstellungsbesprechung, „als den melodischen Hoffmann und den energischen Behrens, die intellektuellen und doch sehr empfindlichen Strnad und Frank und den jungen Haerdtl.“

 

Ansicht des Österreichischen Pavillons aus der Vogelperspektive, Paris 1925; Zeitungsausschnitt. © MAK

Ansicht des Österreichischen Pavillons aus der Vogelperspektive, Paris 1925; Zeitungsausschnitt. © MAK

Grundriss des Österreichischen Pavillons, Paris 1925: Vorraum (1), Büro (2) Langer Saal (3), Vitrinensäle (4,5), Glas von J. & L. Lobmeyr (6), Papeterie (7), Kultraum Hanakschule (8), Orgelturm (9), Gobelinsaal (10), Glashaus (11), Café (12); Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Grundriss des Österreichischen Pavillons, Paris 1925: Vorraum (1), Büro (2) Langer Saal (3), Vitrinensäle (4,5), Glas von J. & L. Lobmeyr (6), Papeterie (7), Kultraum Hanakschule (8), Orgelturm (9), Gobelinsaal (10), Glashaus (11), Café (12); Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Vom deutschen Architekten Peter Behrens, zu dieser Zeit gerade Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste, stammte das Glashaus, von Oskar Strnad der Orgelturm, von Josef Frank das Kaffeehaus und von Oswald Haerdtl das Ausstellungsbüro. In der Ansicht des Pavillons aus der Vogelperspektive sieht man die verschiedenen Gebäudeteile, die zum Teil auf einer Terrasse über dem Seine-Ufer lagen. Neun Milliarden Kronen wurden von der Regierung, der Stadt Wien, der Handelskammer und dem Bankenverband aufgebracht, um den Repräsentationsbau zu finanzieren – eine Summe, die später noch für Aufregung sorgen sollte.

Hertha Bucher (?), Camilla Birke, Maria Likarz, Christa Ehrlich und Hilda Polsterer im Vitrinensaal (4) des Österreichischen Pavillons, Paris 1925; Fotografie. © Privatarchiv Christa Ehrlich

Hertha Bucher (?), Camilla Birke, Maria Likarz, Christa Ehrlich und Hilda Polsterer im Vitrinensaal (4) des Österreichischen Pavillons, Paris 1925; Fotografie. © Privatarchiv Christa Ehrlich

Blick vom Vitrinensaal (5) in den von Hilda Jesser gestalteten Raum der Papeterie (7), Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Blick vom Vitrinensaal (5) in den von Hilda Jesser gestalteten Raum der Papeterie (7), Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Doch nicht nur Architekten standen Hoffmann zur Seite. Es waren auch Kolleginnen aus der Wiener Werkstätte (WW) angereist, die für diverse Innenraumgestaltungen zuständig waren. Camilla Birke, Christa Ehrlich und Hilda Polsterer arbeiteten an der Bemalung der Schaukästen im Langen Saal und in den Vitrinensälen, die schwarz-weiße florale bzw. farbige abstrakte Ornamente erhielten. Hilda Jesser gestaltete den Raum für die Papeteriewaren, und Camilla Birke sowie Maria Likarz verantworteten viel beachtete Wandmalereien in den Hoffmann-Interieurs, die in den Galeries des Invalides zu sehen waren.

Christa Ehrlich und Camilla Birke auf der Eröffnung des Österreichischen Pavillons am 8. Mai 1925; Fotografie. © Privatarchiv Christa Ehrlich

Christa Ehrlich und Camilla Birke auf der Eröffnung des Österreichischen Pavillons am 8. Mai 1925; Fotografie. © Privatarchiv Christa Ehrlich

Josef Hoffmann (Architektur), Camilla Birke, Christa Ehrlich, Hilda Polsterer (Malerei), Langer Saal im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Fotografie. © MAK

Josef Hoffmann (Architektur), Camilla Birke, Christa Ehrlich, Hilda Polsterer (Malerei), Langer Saal im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Fotografie. © MAK

Im Nachlass von Christa Ehrlich sind fantastische Fotos erhalten, die die Künstlerinnen bei der Arbeit im Pavillon und Verputzen der Fassade zeigen, aber auch bei der Eröffnung des Österreichischen Hauses am 8. Mai 1925. Nun konnte endlich gefeiert werden und das tat man ausgiebig. Vally Wieselthier, die mit ihren Keramiken vertreten war, berichtet von rauschenden Festen mit Champagner bis zum nächsten Nachmittag. Der Erfolg von Architektur und Kunstgewerbe schlug sich in weitgehend positiven Kritiken nieder und später auch in einem wahren Medaillenregen, der die Künstler*innen auszeichnete.

Der Lange Saal muss überwältigend gewesen sein – strukturiert zwar durch ein gleichmäßiges Raster, aber zugleich aufgelöst in Glas und Licht. „Wie im Sprung sind wir in einen bunten, blinkenden, sprühenden Wirbel, in die Darbietung der mannigfaltigsten Kleinkunst, der Metalle und Gewebe und ihrer Begleiter aus Holz und Leder, Porzellan und Papier, Email und Elfenbein geraten. Die lebhafte Fülle droht zu überfließen“, so Max Eisler. Schaut man die erhaltenen Fotos im Wiener-Werkstätte-Archiv genauer an, entdeckt man in dieser Fülle einzelne Gegenstände, die sich auch in der MAK Sammlung befinden, und erhält einen Eindruck von der Vielfalt und Buntheit der Präsentation.

Besonders die Künstlerinnen waren mit ihren Arbeiten am Puls der Zeit. Wie moderne Gemälde wirken die Tapetenmuster von Camilla Birke und Maria Likarz, auch die Ganzkörpermasken von Birke und Polsterer berühren zentrale Themen der Zeit, den expressionistischen Tanz und das Spiel mit Identitäten. Man denke nur an Lavinia Schulz und Walter Holdt, deren Masken im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe aufbewahrt sind, und denen Nils Jockel mit dem Roman „Kellertänzer“ ein literarisches Denkmal gesetzt hat.

Zu Recht erhielt Camilla Birke die höchste Auszeichnung auf der Pariser Ausstellung, den Grand Prix, und gingen Goldmedaillen an Likarz und Polsterer.

Else Flesch, Karl Hagenauer, Wilhelm Lux, Angela Stadtherr, Marianne Wagner (Schule Anton Hanak), „Kultraum“ aus Metall im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Else Flesch, Karl Hagenauer, Wilhelm Lux, Angela Stadtherr, Marianne Wagner (Schule Anton Hanak), „Kultraum“ aus Metall im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Stele aus dem Kultraum im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Metall, getrieben. © MAK

Stele aus dem Kultraum im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Metall, getrieben. © MAK

Die zweithöchste Auszeichnung, das Ehrendiplom, wurde an Angela Stadtherr verliehen, einer Schülerin von Anton Hanak an der Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst). Mit anderen Studierenden war sie am sogenannten „Kultraum“ beteiligt – ein „buddhistisch-wienerisches Pantheon“, wie ein Kritiker schrieb, aus getriebenem Eisen- und Messingblech. Details daraus haben sich im MAK erhalten.

Im Raum der Kunstgewerbeschule im Grand Palais stellte Stadtherr zudem eine Reiterfigur aus, von der ein Rezensent schrieb, sie ließe nicht vermuten, dass sie von weiblicher Hand stamme. Bis heute bringt man Künstlerinnen mit dem Werkstoff Metall eher selten zusammen (abgesehen von der Schmuckherstellung). Sie sind jedoch schon seit Jahrhunderten in diesem Bereich tätig und werden sukzessive wiederentdeckt.

Lobmeyr-Vitrine im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Lobmeyr-Vitrine im Österreichischen Pavillon, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Oswald Haerdtl, Bonbonniere für J. & L. Lobmeyr, 1924. Eine solche Dose wurde 1925 in Paris gezeigt; Glas. © MAK/Georg Mayer

Oswald Haerdtl, Bonbonniere für J. & L. Lobmeyr, 1924. Eine solche Dose wurde 1925 in Paris gezeigt; Glas. © MAK/Georg Mayer

Mit einem Grand Prix wurde auch die Firma Lobmeyr bedacht, der im Pavillon eine eigene Vitrine vorbehalten war. Darin präsentierte man gravierte und emaillierte Gläser nach Entwürfen von Lotte Fink, Ena Rottenberg und Vally Wieselthier ebenso wie dekorlose Gläser, designt von Josef Hoffmann, Oswald Haerdtl oder Otto Prutscher. Die fabelhaften Bonbonnieren von Haerdtl werden bis heute aus hauchdünnem Musselinglas erzeugt.

Blick auf die Café-Terrasse mit Orgelturm von Oskar Strnad und Glashaus von Peter Behrens im Hintergrund, Paris 1925; Fotografie. © MAK

Blick auf die Café-Terrasse mit Orgelturm von Oskar Strnad und Glashaus von Peter Behrens im Hintergrund, Paris 1925; Fotografie.
© MAK

Großen Anklang bei den Ausstellungsbesucher*innen fand das Kaffeehaus. Vor allem, weil es hier „den besten Kaffee in Paris“ gab, wie auch die Franzosen meinten. „Ferner gibt es hier das Wunder echter Wiener Kellnerinnen, die fließend französisch sprechen, zu sehen. Immer freundlich, immer lachend (…). An jedem Nachmittag verschwinden Berge von Gugelhüpfen und Sachertorten“, so ein Zeitungsbericht.

Das von Julius Meinl betriebene Café war von Josef Frank gestaltet worden, mit einer blau-weiß gekachelten Laube als Manipulationsraum „ungemein ökonomisch und praktikabel“ gelöst, so Max Eisler.

Josef Frank, Möbel für „Haus und Garten“, gezeigt in den Galeries des Invalides, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Josef Frank, Möbel für „Haus und Garten“, gezeigt in den Galeries des Invalides, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Josef Hoffmann (Architektur), Maria Likarz (Wandgestaltung), Ruheraum für eine Dame, 1923, gezeigt in den Galeries des Invalides, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Josef Hoffmann (Architektur), Maria Likarz (Wandgestaltung), Ruheraum für eine Dame, 1923, gezeigt in den Galeries des Invalides, Paris 1925; Abbildung in Eisler 1925. © MAK

Josef Frank war zusätzlich in den Galeries des Invalides vertreten, wo die Interieurs zu sehen waren. Hier trat er mit der Einrichtungsfirma „Haus & Garten“ auf, die Frank gemeinsam mit Oskar Wlach und Walter Sobotka 1925 gegründet hatte. Die individuell gestalteten Möbel zeigen den gänzlich anderen Ansatz der Gruppe im Vergleich zur Gesamtkunstwerkidee der Jahrhundertwende. Ihr folgte weiterhin Josef Hoffmann, der u.a. einen Ruheraum in Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen der WW präsentierte: Die Wandmalereien im Alkoven stammten von Maria Likarz, die Keramiken von Susi Singer und Kitty Rix, und der Teppich war ein Entwurf von Felice Rix.

Friedrich Kiesler, Modell der „Raumstadt“, gezeigt im Grand Palais, Paris 1925; Fotografie. © MAK

Friedrich Kiesler, Modell der „Raumstadt“, gezeigt im Grand Palais, Paris 1925; Fotografie. © MAK

Nachbau der „Raumstadt“ in der Ausstellung „Friedrich Kiesler. Lebenswelten“ im MAK 2016; Ausstellungsansicht. © MAK/Georg Mayer

Nachbau der „Raumstadt“ in der Ausstellung „Friedrich Kiesler. Lebenswelten“ im MAK 2016; Ausstellungsansicht. © MAK/Georg Mayer

Die modernsten österreichischen Beiträge auf der Pariser Ausstellung waren im Grand Palais zu sehen. Oswald Haerdtl gestaltete den Raum für Architektur im Bauhausstil und Friedrich Kiesler nutzte die Theatersektion zur Installation seiner visionären „Raumstadt“. Ein Nachbau dieser „hängenden Stadt“, die neben dem sowjetischen Pavillon von Konstantin Melnikow und dem Pavillon L’Esprit Nouveau von Le Corbusier zu den radikalsten Architektur-Konzepten in Paris gehörte, war 2016 in einer großen Kiesler-Retrospektive im MAK zu sehen. In der zeitgenössischen Presse wurde Kieslers Idee entweder ignoriert (bei Eisler kommt sie gar nicht vor) oder stieß auf Unverständnis; allein die aufgeschlossene Berta Zuckerkandl zeigte sich begeistert.

Am Ende überwog ganz allgemein die negative Kritik am österreichischen Auftritt. Man sprach von einem Finanzdebakel und warf Hoffmann eine subjektive, modernistische Auswahl vor. Der Grafiker Julius Klinger polemisierte gegen die „Professorenclique“ der Kunstgewerbeschule und erfand das „Wiener Weiberkunstgewerbe“ als Synonym für die WW. Aus heutiger Sicht erscheint die österreichische Ausstellung äußerst gelungen – als Abbild der vielfältigsten Strömungen zwischen Tradition und Experiment. Darüber hinaus hatte die WW bereits in ihrer radikalen Anfangszeit 1903/04 vorweggenommen, was die Kunstgeschichte später als Art-Déco-Stil definieren sollte.

Ein Beitrag von Anne-Katrin Rossberg, Kustodin der MAK Sammlung Metall und Wiener Werkstätte Archiv, mit Dank an Annemieke Houben, Amsterdam.

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