150 Jahre MAK-Gebäude am Stubenring: eine MAK-Blog-Serie widmet sich zu diesem Jubiläum der außergewöhnlichen Architektur des Museums

28. Oktober 2021

Forschung & Sammlung

Auf der Wiener Ringstraße, am Stubenring 5, befindet sich ein architektonisches Meisterwerk des Historismus: das MAK – Museum für angewandte Kunst, ehemals k. k. Österreichisches Museum für Kunst und Industrie. Das rotbraune Backsteingebäude beeindruckt mit ausgewogenen Proportionen, Erhabenheit und reicher Fassadendekoration. Den 150. Jahrestag der feierlichen Eröffnung des Museumsbaus am 4. November 1871 nehmen die wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen des MAK auf Initiative von Kathrin Pokorny-Nagel, Leiterin der MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung, zum Anlass, unterschiedliche Facetten des Gebäudes am MAK-Blog näher vorzustellen.

MAK am Stubenring, Außenansicht
© Georg Mayer/MAK, 2021

Das im Jahr 1863 gegründete k. k. Österreichische Museum für Kunst und Industrie wurde zunächst in den provisorischen Räumlichkeiten im kaiserlichen Ballhaus bei der Hofburg eröffnet. Schon bald wurden Stimmen laut, die ein adäquates neues Gebäude für das Museum und die daran angeschlossene Kunstgewerbeschule forderten. Es folgten Diskussionen über die Situierung des Neubaus: Direktor Rudolf von Eitelberger wollte eine Integration in den Komplex der geplanten Hofmuseen. Der heutige Standort Stubenring war damals kaum erschlossenes Stadterweiterungsgebiet und Truppenübungsgelände.

August Stauda, Fotografie des Ballhaus, nach 1901
© MAK

Die Entscheidung, das Museum zwischen der geplanten Ringstraße, der verlängerten Wollzeile und dem Wienfluss zu bauen, fiel 1866. Sie hatte zur Folge, dass der Bau schließlich zwanzig Jahre vor der Fertigstellung der Hofmuseen bezogen werden konnte. Für den Bauplatz sprach, dass das Gelände vom Kaiser unentgeltlich zur Verfügung gestellt wurde. Außerdem bot es die Möglichkeit zu baulichen Erweiterungen – die wenig später mit den Zubauten der Kunstgewerbeschule und dem Bau des Weiskirchnertraktes folgen sollten. Sobald die Entscheidung für den Bauplatz getroffen war, entsponnen sich Verhandlungen über die Baulinie, um der Verlegung des sogenannten Unrathkanals (oder auch Cholerakanals) zu entgehen. Schließlich rückte der Bau vom Wienfluss direkt an die Ringstraße und in eine Linie mit dem Stadtparkgitter.

Der Stubenring vor dem Bau des Museums, 1868
© ONB Wien

Als langjähriger Vertrauter und Freund Rudolf von Eitelbergers erhielt Heinrich von Ferstel, einer der aktivsten Ringstraßenarchitekten, den Auftrag als Architekt und gleichzeitig auch als technisch-artistischer Bauleiter. Gemeinsam entwickelten sie das bauliche Konzept, in dem Ferstel die inhaltlichen Ideen Eitelbergers kongenial umsetzte. Die Baukosten wurden auf 400 000 Gulden (das entspricht heute rund 5,5 Millionen Euro) geschätzt, wenn auf dekorativen Schmuck und Prunk verzichtet werde. Der Kaiser höchstpersönlich genehmigte am 19. März 1868 die Pläne und ordnete an, den Bau mit Beschleunigung in Angriff zu nehmen.

Heinrich von Ferstel, Entwurf für die Fassade, 1867
© MAK

Trotz eines Mangels an Material und auch an Arbeitskräften, die für die regen Bautätigkeiten entlang der gesamten Ringstraße benötigt wurden, konnte Kaiser Franz Joseph am 4. November 1871, nach nur drei Jahren Bauzeit, den Schlussstein für das Museum legen. Die Gründungsidee bestand darin, Raum für neue Formen der Kooperation zu schaffen. Ziel war es, durch die Zusammenarbeit von Künstlern und Architekten sowie von Wissenschaftlern und Produzenten die kunstgewerbliche Produktion qualitativ zu steigern.

Diese Gründungsidee sollte sich auch in der Museumsarchitektur manifestieren und so hatten sich Ferstel und Eitelberger für den Bau viel vorgenommen. Es sollte nicht weniger als ein neuer Österreichischer Nationalstil geschaffen werden. Ferstel gelang ein gebautes Manifest, ein Musterbau für die österreichische Kunstindustrie, der für alle in der Folge gegründeten Kunstgewerbemuseen in Europa Modell stand.

Wilhelm Burger, Ansicht des eben errichteten Museums, 1874
© MAK

Der in der Struktur moderne Bau orientierte sich in der Fassadengestaltung und in der Dekoration an klassischen Formen der italienischen Renaissance. Dem Gründungsauftrag entsprechend, sollte man auch vom Bau selbst lernen können, der als Experimentierfeld für die Anwendung neuer Techniken diente. Mit einer die MAK-Säulenhalle überspannenden monumentalen Glasdecke auf einer gusseisernen Rahmenkonstruktion schuf Ferstel eine radikale Neuerung in der Architektur Wiens. Dieses doppelte Glasdach in rund 23 Metern Höhe war das Erste dieser Art in Österreich. Neben dem Schutz vor Witterung und der Schaffung optimaler Lichtverhältnisse, wollte Heinrich Ferstel ganz bewusst eine Analogie zum Symbol für technischen Fortschritt seiner Zeit herstellen – zur Eisenbahn. Die Eisen-Glas Konstruktion des Museums erinnert an die damaligen großzügigen Bahnhofshallen, die als Schauplätze der Industrialisierung überall gefeiert wurden. Dabei versteckte sich die moderne Rahmenkonstruktion hinter der fein stukkatierten und üppig dekorierten Wand im Stil der Neorenaissance. Der Blick wurde auf die hunderten geschliffenen Sterne der einzelnen Glasfelder gelenkt, die in ihrer qualitätsvollen Ausführung die Besuchenden in ihren Bann ziehen sollten. Wie manches andere am Haus fielen diese Gläser im Zweiten Weltkrieg dem Flakbeschuss und Bombentreffern zum Opfer.

 

Eine Verschränkung der repräsentativen Elemente der Renaissance mit funktionalen Elementen aus der Nutzarchitektur kam auch bei den Baumaterialien zum Tragen – etwa durch die Verwendung von heimischem Ziegelstein und Sandstein an der Fassade, sowie durch einen fast vollständigen Verzicht auf teure Materialien wie Marmor. An dieser ästhetischen Vorgabe haben sich auch später sämtliche große Anbauten an das Museum orientiert.

Ferdinand Laufberger, Sgrafittofries unter dem Dachsturz, 1871
© Georg Mayer/MAK, 2021

Obwohl es in Wien während der 60er Jahre des 19. Jahrhunderts bereits zahlreiche Ziegelbauten gab, überraschte diese im Sichtziegel im Stil der Florentiner Renaissance gehaltene Fassade mit zahlreichen neuen Elementen. Die dekorativen Details an der Fassade weisen auf den künstlerischen Charakter und die Lehrhaftigkeit des Museumsbaus hin. So zieht sich über der Fensterreihe des Erdgeschosses ein Ornamentband mit Sgraffito-Dekorationen und Relief-Medaillons aus glasiertem Ton. Gestaltet wurden diese von Ferdinand Laufberger, einem Professor der Kunstgewerbeschule. Auf diesen abgebildet finden sich bedeutende Persönlichkeiten, die große Leistungen auf dem Gebiet der angewandten Kunst erbracht haben. Darunter Albrecht Dürer, Michelangelo, Jost Amann oder Veit Stoss. Der Sgraffitofries am Mittelbau stellt zehn allegorische Frauengestalten nach Entwürfen von Karl Karger dar.

Ferdinand Laufberger, Fassadendetail mit Sgrafitten und Majolikatondo, 1871
© Georg Mayer/MAK, 2021

Rudolf Fuchs nach einem Sgrafittoentwurf von Karl Karger, Allegorie der Glaskunst, Wien 1893,
© Georg Mayer/MAK, 2021

Ferdinand Laufberger, Fassadendetail in Sgrafittotechnik mit Kapitel in Sandstein, 1871
© Georg Mayer/MAK, 2021

In diesem Umfang und als derart lehrhafte Demonstration hatte man Sgraffito und Majolika noch nie in Wien gesehen. Ferstel griff auch hier eine Technik aus der Florentiner Renaissance auf. Erst durch den Bau des Museums wurde die Technik der kunstvoll gestalten Mörtelschnitte populär und in weiterer Folge auch an anderen Gebäuden angewendet.

Bei der Fertigstellung des Gebäudes beliefen sich die Baukosten schließlich auf 650 000 Gulden. Für die innere Ausstattung mussten 120 000 Gulden veranschlagt werden, denn ganz ohne Schmuck und Prunk wollten Rudolf von Eitelberger und Heinrich von Ferstel dieses Baujuwel nun doch nicht eröffnen.

Welche Dekorationen und Schmuckausstattung im Inneren zur Vollendung dieses Musterbaus für die angewandte Kunst eingesetzt und verwirklicht wurden, wird in den weiteren Beiträgen dieser Blog-Serie besprochen. Sie behandelt die Bauplastik und Baukeramik, liefert Informationen von den Deckenmalereien bis hin zu Metallgegenständen, wie Türschlössern und den damit in Verbindung stehenden Fabrikanten und Kunsthandwerkern. In den kommenden Tagen werden an dieser Stelle also auch Berichte von Rainald Franz, Sebastian Hackenschmidt, Peter Klinger, Aline Müller, Beate Murr, Anne-Katrin Rossberg, Bärbel Vischer und Mio Wakita zu lesen sein.

Ein Beitrag von Kathrin Pokorny-Nagel, Leitung MAK-Bibliothek und Kunstblättersammlung

Ferdinand Laufberger, Fassadendetail in Sgrafittotechnik, 1871
© Georg Mayer/MAK, 2021

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