14. Juni 2024
Christian Michlits
14. Juni 2024
Christian Michlits
Christian Michlits, Leiter des Digitalen MAK, widmet sich der Digitalisierung eines Highlights der MAK Sammlung und knüpft an zwei Themen an, die am MAK Blog bereits mehrfach vertieft wurden: an das Projekt MAK 3D sowie den Kunst- und Kabinettschrank von David Roentgen (1776). Das Digitale MAK drang sozusagen mit Röntgenblick ein und macht die spektakulären Funktionen dieses außergewöhnlichen Automatenmöbels sichtbar.
Die Digitalisierung des Roentgen-Schranks ist eines von vielen Vorhaben im Rahmen des vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport geförderten Digitalisierungsprojekt MAK 3D – Digitalisate, Daten, Display, bei dem Teile des Medienarchivs und Objekte aus nahezu allen Sammlungen digitalisiert werden. Im Rahmen des Projekts wird unter anderem der Nachlass von Architektur-Pionierin Anna-Lülja Praun erschlossen und es wurden bereits Kleidungsstücke und Teppiche digitalisiert (der MAK Blog berichtete). Mit dem Vorhaben, auch dem Roentgenschrank digital eine gebührende Bühne zu geben, ist gemeinsam mit den 3D-Virtuosen von 7reasons ein Glanzstück gelungen.
Die Bedeutung des Roentgenschranks wurde anlässlich des Abschlusses seiner Restaurierung am MAK Blog bereits von Sebastian Hackenschmidt, Kustode MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten, ausgeführt. Insgesamt 11 Beiträge erschienen im Rahmen einer Serie zu diesem außergewöhnlichen Möbel. Anne Biber, Leiterin der MAK Restaurierung und Werkstätten, gab Einblick in alle Phasen der Restaurierung dieses herausragenden Stücks mit seinem musikerzeugenden Inneren, und der ehemalige MAK Restaurator Johannes Ranacher hat die Mechanik ausführlich beschrieben. Die vielen Funktionalitäten des Roentgenschranks auch digital „in Action“ zu setzen, war eine der großen Herausforderungen seiner Digitalisierung.
Das komplexe Innenleben des Schranks ist besonders imposant. Neben dem Uhr- und dem Spielwerk verfügt der Schrank auch über Mechanismen, mit denen sich auf Knopfdruck automatisch Türen öffnen, geheime Fächer erscheinen, Schubladen freigegeben werden, ein Münzschrank auftaucht, sich ein Noten- und Lesepult entfaltet und sogar Musik abgespielt wird. In einer über drei Jahre dauernden Restaurierung dieses sensationellen Möbels wurden auch all diese Mechaniken wieder instandgesetzt.
Für die digitale Erfassung musste der Schrank zunächst an einem Schließtag eigens aus der MAK Schausammlung Barock Rokoko Klassizismus in die imposante MAK Säulenhalle verfrachtet werden. Alles musste an nur einem Tag erfasst werden. Judith Huemer, Mitarbeiterin der MAK Sammlung Möbel und Holzarbeiten, sorgte auch unter großem Zeitdruck für die größte Sorgfalt beim Umgang mit dem Objekt.
In der MAK Säulenhalle war der Roentgenschrank von allen Seiten zugänglich. Nun gingen die Digitalisierungsprofis ans Werk und erfassten jeden Winkel, um in weiterer Folge ein überzeugendes Modell zu erstellen. Doch mit der Anfertigung des bloßen Scans war die Arbeit noch nicht getan. Außer den üblichen Nachbearbeitungen war es unsere Absicht, den Schrank auch geöffnet zeigen zu können, seine Funktionen sichtbar zu machen und die raffinierte Mechanik zu präsentieren. Unser erstes animiertes 3D-Modell sollte entstehen.
MAK Restauratorin Britta Dierig und Digitalisierungsexperte Christian Sovis von 7reasons tauschten lange E-Mail aus, in denen von der Drehrichtung des Schlüssels über den Federmechanismus bis hin zur korrekten Visualisierung der fallenden Gewichte alles besprochen, diskutiert und bis ins letzte Detail abgeklärt wurde.
Modell und Video bestechen nicht nur durch ihre Auflösung, sondern dank des guten Austauschs zwischen MAK und dem Digitalisierungsteam auch durch ihre Originaltreue. Mit dem 3D-Modell des Roentgenschranks geht das Museumserlebnis weit über den physischen Besuch im Museum hinaus. Während der verschlossene Schrank vor Ort seine Funktionalitäten nur erahnen lässt, kann er im digitalen Raum genau und von allen Seiten bis ins Innerste untersucht werden. Um das sonst Verborgene noch besser erkennen zu können, wurden einzelne Teile in einem animierten Video transparent dargestellt. So haben wir den Schrank noch nie gesehen!
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David Roentgen’s cabinet / bureau bookcase by MAK – Museum of Applied Arts, Vienna on Sketchfab
Unser aktuelles Digitalisierungsprojekt läuft noch bis Ende August. Bis dahin sind einige weitere 3D-Modelle zu erwarten. Besonders hervorzuheben ist noch eine Puppenstube aus dem 19. Jahrhundert. Das 3D-Modell des Modell-Hauses, sowie wenige Einrichtungsgegenstände, die sich als zu klein für unseren Scanner herausgestellt haben, wurden ebenfalls von 7reasons gescannt. Die meisten 3D-Modelle der Miniatur-Möbel hat Digitalisierungsexpertin Vasiliki Lagari hausintern angefertigt. Die Modelle des Korpus und der Möbel sind bereits zu sehen, ein Gesamtmodell ist in Planung.
Auch nach Projektende dürfen wir großartige 3D-Modelle von MAK Objekten erwarten. Mit Christian Mendez kam im März ein Photogrammetrie-Experte ins Team des Digitalen MAK, der viele Ideen mitgebracht hat.
In Zusammenarbeit mit Heidrun Rosenberg, Vorstandsmitglied (Beirätin) von Wikipedia Austria, wird der Roentgenschrank auch in der Wikipedia-Schreibakademie/Werkstatt im September 2024 thematisiert. Wir freuen uns schon auf die Ergebnisse.
Ein großes Desiderat ist es außerdem, den Schrank digital ertönen zu lassen. Das würden wir gerne nachholen, sobald Zeit und Mittel es erlauben. Dann kann sich der Kunstschrank von David Roentgen auch auf der MAK Sammlung Online nicht nur sehen, sondern auch hören lassen!
Ein Beitrag von Christian Michlits, Leiter Digitales MAK